Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
professionellen Leistungssportlern auf einer Stufe, sagt man mir. Ein Grund dafür mag sein, dass ein Kamerad im MND-Zug in der DDR ein erfolgreicher Amateurboxer gewesen ist. »Lebo«, den wir wegen seiner Kenntnisse zum Trainer bestimmten, war ein beliebter Sparringspartner von Axel Schulz, ehe der zum Profiboxer wurde.
Lebo und »Vati«, wie wir den Oberleutnant »Matze« Lang inzwischen nennen, achten sehr darauf, dass wir ausgewogen trainieren und uns gesund ernähren. Statt fettem Schweinebraten mit leckerer Soße bekommen wir, wegen des Eiweißes und der hochwertigen Fette, meist Geflügel oder Fisch auf den Teller, dazu Kartoffeln oder Reis und frisches Gemüse. Anstelle einer schweren Soße gießen wir natives Olivenöl oder andere gesunde Öle darüber. Die Ärzte sagen mir, dass durch die sprunghafte Umstellung meiner Lebensweise ein Wachstumsschub ausgelöst worden sein kann, der sich nicht auf die Muskulatur beschränkt, sondern den gesamten Körper betrifft. An den Nieren habe man Abweichungen von der Norm erkannt, die ebenso wie meine in den letzten sechs Monaten überraschend gewachsenen Weisheitszähne auf exzessiv betriebenen Sport zurückzuführen seien. Möglicherweise sei das der Grund für den blutigen Urin. Meiner Teilnahme am Wettkampf steht das zum Glück nicht im Weg. Ich werde nach zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen und nehme sofort wieder mit vollem Einsatz am Training teil.
Die Burg Vogelsang in der Eifel sehen wir einen Tag vor dem Wettkampf zum ersten Mal. Hier werden wir feststellen können, was unser Training bewirkt hat. Wir werfen einen Blick auf die einzelnen Stationen, die wir während der nächsten zwei Tage zu bewältigen haben werden. Gemeinsam legen wir uns eine Strategie zurecht, wie wir am effizientesten vorgehen. Dann stärken wir uns mit einer gemeinsamen Mahlzeit und hauen uns ins Bett. Am nächsten Morgen stehen wir lange vor Dienstbeginn auf. Wir sind schon etwas aufgeregt, schließlich haben wir uns sechs Monate lang damit geplagt, uns auf die nächsten 36Stunden vorzubereiten. Jeder überprüft aufs Genaueste den korrekten Sitz und die Funktionsfähigkeit der persönlichen Ausrüstung. Eigentlich bräuchten wir das nicht, da sie uns ja sonst auch immer gepasst hat, aber keiner will den Sieg durch Nachlässigkeit gefährden.
Ein niederländischer General hält nach unserem kurzen Frühstück eine Ansprache. Mit den Gedanken bereits im Wettstreit, bekomme ich die Rede nur beiläufig mit. Wir stehen mit den anderen Männern aus unterschiedlichen Armeen in Hufeisenformation. Wie Boxer mustern wir unsere Kontrahenten. Die belgischen Teilnehmer sind um einiges älter als wir. Es sind schwer tätowierte Berufssoldaten, deren ernste Gesichter tief gebräunt und gegerbt sind. Sie werden im Schnitt etwas über 30Jahre alt sein, denke ich mir. Ich bin einigermaßen beeindruckt. Sie sehen so aus, wie ich mir Soldaten immer vorgestellt habe. Bei allen anderen Mannschaften mag das Durchschnittsalter bei etwa 25Jahren liegen. Die Deutschen sind im Vergleich besonders jung.
Als Belgien seine Soldaten 1999 aus dem Kosovo abzog, passierten diese in Schrittgeschwindigkeit den von meinen Kameraden bewachten Grenzposten am Morinipass. Einer sagte beim Vorbeifahren bekümmert aus dem Fenster heraus: »Why do the fucking Germans let children do this job?« Sicher sind wir deutschen Soldaten jünger und sportlicher, aber an Einsatzerfahrung sind diese Kerle uns meilenweit voraus, denke ich. Die anderen Mannschaften sehen auch gut trainiert aus, aber ich meine, dass wir ihnen mindestens ebenbürtig sind. Der General aus der niederländischen Armee beendet seine Rede mit einem Appell an unsere Fairness und Kameradschaft.
Dann beginnt der Wettkampf. Wie beim Zirkeltraining gibt es mehrere Stationen, an denen die Teams versetzt zueinander starten. Wir haben Glück und können mit der Höhenhindernisbahn beginnen. Da wir frisch und ausgeruht sind, bereitet uns das Klettern keinerlei Probleme. Es wäre wesentlich schwieriger, diese Prüfung der Koordinationsfähigkeit bereits erschöpft anzutreten. Wir klettern zwar nur in 3bis 4Meter Höhe, aber dafür ohne Sicherungsseil. Wenn ein Griff nicht sitzt und man abstürzt, kann das zumindest schmerzhaft werden. Direkt im Anschluss müssen wir unsere Kenntnisse über die im militärischen Alltag gebräuchlichsten Knoten unter Beweis stellen. Selbstverständlich kennen und können wir sie alle, doch mit den vom Klettern noch etwas tauben
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