Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Fingern sind sie eine Herausforderung. Als Nächstes erwartet uns der sogenannte ABC-Bunker. Das ist eine Halle, in der eine Berieselungsanlage auf Knopfdruck ein weißes Pulver versprüht. Auf einen kurzen Pfiff hin sollen wir unsere Schutzausrüstung gegen atomare, biologische oder chemische Kampfstoffe anlegen und eine geeignete Deckung aufsuchen. Wer nicht schnell genug ist, wird von dem Pulver weiß markiert und verschafft seinem Team eine schlechtere Bewertung.
Bei der folgenden Prüfung sollen wir in einem Schlauchboot einen Stausee überqueren. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn die Schlauchboote sind oval und alles andere als stromlinienförmig. Durch das Gewicht meines zehn Mann starken Teams liegt das Boot so tief im Wasser, dass es Widerstand bietet wie ein Kleiderschrank. Um möglichst viel Kraft in unsere Ruderschläge legen zu können, setzen wir uns auf den luftgefüllten Rand des Schlauchbootes. Wir hängen dabei mit einem Bein halbwegs im Wasser und kämpfen um unser Gleichgewicht. Nur wenn alle Ruderer auf beiden Seiten des Bootes gleichzeitig das Paddel ins Wasser stechen, lässt sich eine ungewollte Kursänderung vermeiden. Unser Mann am Steuerruder treibt uns dabei an wie die Sklaven auf einer römischen Galeere. Jedes Mal, wenn sein Ruf »Zugleich!« über den See schallt, ziehen wir unsere Paddel mit vereinten Kräften durchs Wasser. Als wir das andere Ufer endlich erreichen, habe ich einen Wadenkrampf und kann mich vor Schmerzen nicht mehr auf den Beinen halten. Meine Kameraden Lende und Berg kommen sofort angelaufen und dehnen meine Muskulatur. Trotzdem gelingt es mir nicht, gleich weiterzulaufen. Sie nehmen mir meinen Rucksack ab und stützen mich ein gutes Stück, bis der Krampf sich gelöst hat.
An der folgenden Station werden die Beine sofort wieder aufs Äußerste belastet. Wir müssen uns einen steilen Schieferhang hinaufkämpfen. Es ist extrem schwierig, auf dem harten, glatten Boden festen Halt zu finden. Bei jedem Fehltritt rutsche ich mehrere Meter den Hang hinunter, bevor ich mich wieder fangen kann. Unsere sperrige Ausrüstung behindert die Bewegungsfreiheit. Das Gewicht der Rucksäcke und des unhandlichen Gewehrs gibt mir das Gefühl, dass eine unsichtbare Kraft von allen Seiten an mir zerrt, um mir meine Aufgabe zusätzlich noch zu erschweren. Im Anschluss habe ich eine kleine Pause. Jedes Team schickt an der folgenden Station seine vier besten Schwimmer ins Geschehen. Bei einem Staffelrennen sollen diese mit einem blauen Arbeitsoverall bekleidet um die Wette schwimmen. Ich bin zwar ein guter Schwimmer, aber es gibt in meinem Team noch bessere.
Danach kann ich meine Stärken wieder einbringen. Wir werden von Hubschraubern des Typs Bell UH1D abgeholt. Die kleine, »Huey« genannte Maschine war während des Vietnamkriegs das Lufttaxi der GIs. Wir müssen jetzt unsere Kenntnisse rund um den Transport mit einem Helikopter unter Beweis stellen, ohne dabei von den Rotorblättern geköpft zu werden. Für Luftlandeeinheiten ist das eine elementare Grundfertigkeit. Ich weise die Piloten während ihres Anflugs in die Landezone ein. Nachdem wir eingestiegen sind, heben die Heeresflieger sofort ab und beginnen waghalsige Manöver. Ich bin begeistert, mein Herz pocht vor Aufregung stark, während wir im Tiefflug dicht über dem mit Blättern und Moos bedeckten Erdboden einer Waldschneise folgen. Während der einsetzenden Dämmerung werden wir auf einer uns unbekannten Lichtung abgesetzt. Dort beginnt ein Orientierungsmarsch, den wir bei Nacht bewältigen müssen.
Navigation ist meine Stärke, auf diese Fähigkeit kann ich mich verlassen. Im hügeligen, unwegsamen und mit dichtem Dornengestrüpp bewachsenen Wald finden wir schnell den etwa 2 Kilometer entfernten Kontrollpunkt. Dort müssen wir ein Kärtchen suchen, das die Koordinaten oder einen kleinen Kartenausschnitt zum nächsten Kontrollpunkt enthält. Nachdem wir die 8 zu suchenden Punkte gefunden haben, treffen wir um 04:00 Uhr morgens reichlich müde in der Burg Vogelsang ein. Dort können wir uns bis 07:00 Uhr schlafen legen. Einige Teams sind zu diesem Zeitpunkt noch im Wald unterwegs und müssen von den Schiedsrichtern abgeholt werden. Das Team aus den Niederlanden gehört nicht zu ihnen. Sie haben den Worten ihres Generals über Fairness und Kameradschaft keine Bedeutung beigemessen und sich während des Orientierungsmarschs von ihrem »Org«Team auf der Motorhaube oder dem Dach eines Geländefahrzeugs chauffieren
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