Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
entscheiden die Ausbilder, wer welchen Hund bekommt. Das ist aber nicht nötig. Lancer geht die Reihe ab und bleibt dann kurz entschlossen vor dem Zwinger eines schwarzen Belgischen Schäferhundes mit Namen Bart stehen. Ebenso schnell treffen Loch, Boyst, Blume und Weile ihre Wahl. Milano und ich sind noch unentschlossen. Die Hunde schauen uns aufmerksam an. »Idor« ist auf der einen Tafel am Gitter zu lesen. Er hat für einen Belgischen Schäferhund einen erstaunlich breiten Brustkorb und den kräftigen Schädel einer Dogge. Idor scheint nur darauf zu warten, dass ich ihn anleine, damit wir gemeinsam eine Runde drehen. Der Deutsche Schäferhund hingegen, vor dem Milano steht, fletscht die Zähne, sobald man sich seinen 2 mal 4 Metern Zwinger nähert.
Die Ausbilder sagen, dass wir den Hunden jetzt ihr Halsband anlegen und sie anleinen sollen, um uns bei einem Spaziergang etwas zu beschnuppern. Wir sollen ganz zwanglos an die Sache herangehen und einfach nur Kontakt zueinander aufnehmen. Da Milano und ich noch immer zögern, wird uns Druck gemacht: »Wenn ihr jetzt nicht hineingeht, könnt ihr gleich wieder nach Hause fahren.« Stuvess und Mehlen, unsere Ausbilder, stehen mit Milano und mir ganz links vor der 21 Meter langen Zwingerreihe. Milano kommt der Aufforderung sofort nach und traut sich zu dem wütend bellenden Schäferhund hinein. Ich möchte ihm darin nicht nachstehen und nehme mir vor, möglichst selbstverständlich an Idor heranzutreten und ihm sein Halsband anzulegen. Idor steht stocksteif und wie angewurzelt in seinem Territorium. Aus den Winkeln seiner hellen braunen Augen beobachtet er mich.
»Ich bin mal gespannt, wer gleich mit wem Gassi geht!«, höhnt Mehlen, als wir uns mit den Hunden zur großen Wiese auf den Weg machen. Mehlen ist noch jung, etwa Mitte Zwanzig. Er ist hellblond, hat eine gedrungene Statur und wirkt sehr kräftig, fast schon bullig. Auch sein Gesicht ist eher rund als kantig und seine kleinen, hellen Augen sind wachsam. Er beobachtet uns sehr genau, seit seiner Jugend mit Hundesport vertraut, erkennt er sofort, wenn wir einen Fehler machen. Stuvess dürfte gute zehn Jahre älter sein. Sein gesamtes Erscheinungsbild wirkt ungepflegt. Dunkles, leicht welliges Haar geht direkt in einen ungetrimmten, filzigen Bart über. Seine schwarze Weste ist abgewetzt und speckig. Er sagt, dass er einige Jahre Soldat in einer Panzereinheit war und ebenfalls Einzelkämpfer sei, das sei ihm aber nicht wichtig, daher habe er sich das Abzeichen nicht an die Brust geheftet. Es fällt uns schwer, ihm zu glauben, aber wir hören uns höflich an, was er zu sagen hat. Überhaupt redet er gerne und scheint von sich sehr überzeugt zu sein. Im Lauf der Zeit lerne ich von den beiden tatsächlich sehr viel über Hundeausbildung und darüber, wie man die Fähigkeiten der Hunde optimal herausarbeitet. Elementare Details, auf die andere Ausbilder nicht achten, bringen sie mir bei.
Den Rest der Woche bemühen wir uns, den Hunden zu vermitteln, dass sie Vertrauen zu uns aufbauen können. Die Hundeschule kauft meist Jährlinge ein, die zuvor einen Eignungstest bestehen müssen. Da das Budget gering ist, sind es normalerweise nicht gerade die Spitzenhunde aus einer renommierten Zucht, die der Bundeswehr angeboten werden. Es sind eher die, die sich von ihrem Wesen her nicht für den Hundesport eignen. Beim Schutzdienst haben sie möglicherweise nicht nur die lederne Unterarmmanschette, sondern auch mal ein Körperteil zwischen den Zähnen gehabt. Hunde mit starkem Dominanztrieb, die sich auch gerne gegen ihren Menschen auflehnen, werden der Hundeschule häufig angeboten. Für den Einsatz als Diensthund sind sie gut zu gebrauchen. Wir wollen selbstbewusste Hunde mit starkem Überlebenstrieb. In einer Gefahrensituation sollen sie einen Angreifer blitzschnell und mutig stoppen.
Bei Idor handelt es sich um einen Malinois, dessen Vorfahren im Ringsport, einer besonders in Frankreich beliebten Form des Hundesports, etliche Preise geholt haben. Die Malinois-Schäferhunde werden als Nutztiere gezüchtet. Sie werden dabei auf den Ebenen Gehorsam, Schutzdienst, Umweltneutralität und Nervenstärke geprüft. Auch Idor wurde von klein auf für den Ringsport trainiert, hat aber in der Disziplin »Flucht ohne Anbeißen« nie auf Pfiff die Verfolgung abgebrochen. Die Hunde werden bei dieser Übung einem Figuranten hinterhergeschickt, der in einem wattierten Vollschutzanzug steckt und wie ein Michelinmännchen vor dem Hund
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