Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
wegläuft. Um den Gehorsam auch auf Distanz unter Beweis zu stellen, wird der Hund mit einer Hundepfeife aus etwa 30 Meter Entfernung zurückgerufen, wenn er bereits ansetzt, sich den Flüchtigen zu packen. Da Idor hier nicht wie gewünscht reagierte, war er für den Ringsport nicht mehr interessant.
Das sagt mir Mehlen allerdings erst einige Jahre später. Bei der Gelegenheit offenbart er mir auch, dass er und Stuvess nicht zufällig auf der Zwingerseite von Idor und Rex standen. Idor hat sich während der ersten Wochen an der Hundeschule seinem Tierpfleger von der unangenehmen Seite gezeigt. Auch Milanos Hund Rex hat eine bemerkenswerte Geschichte. Rex ist ein Schäferhund aus tschechischer Zucht. Um die bei den Deutschen Schäferhunden weit verbreiteten Erbkrankheiten wie Hüftdysplasie und Spondylose auszugleichen, wurde in viele Tiere aus tschechischer Zucht ein Achtel Wolf eingekreuzt. So klein Rex auch ist, so wild ist er. Seine Augen funkeln ganz furchtbar gefährlich, wenn er sein hohes Gebell anstimmt. Idor hört sich dagegen an, als hätte er letzte Nacht eine Flasche Whiskey geleert und eine Schachtel Zigaretten dazu geraucht. Stuvess und Mehlen haben jedenfalls damit gerechnet, dass diejenigen, die sich zu diesen Hunden in den Zwinger begeben, angeknabbert werden. Wir Fallschirmjäger und auch die Hunde haben sie eines anderen belehrt. Überhaupt hat jedes Tier seine Eigenarten, die es unverwechselbar machen. Wir können das Verhalten der Hunde im Verlauf der Ausbildung immer leichter vorhersehen. Auch wenn das Training nichts mit dem gemein hat, was wir als Fallschirmjäger den Tag über tun, machen wir alle schnell Fortschritte.
Obwohl ich von Hundeerziehung bisher so gut wie nichts weiß, fühle ich mich mit dieser Ausbildung allein nicht ausgelastet. Daher melde ich mich mit Lancer bei einem nahe gelegenen Fitnessstudio in Koblenz an. Mit Milano, der wie ich gelernter Koch ist, arbeite ich zusätzlich noch an zwei Abenden in der Woche in einer gemütlichen kleinen Gaststube in der Altstadt von Koblenz. An den Wochenenden fahre ich in der Regel nach Hause. Lancer, der nur wenige Kilometer weiter wohnt, nehme ich dann meist mit. Ich unterhalte mich gerne mit ihm und finde seine Ansichten und die Art und Weise, wie er sie vertritt, bemerkenswert klug. Andererseits überrascht es mich, wie altmodisch er manchmal sein kann.
Während einer solchen Heimfahrt fällt mir das besonders deutlich auf. Da wir unsere Hunde auch privat transportieren müssen, haben sich alle Diensthundeführer ein Auto zugelegt, in dem man eine Transportbox unterbringen kann – obwohl wir im Gegensatz zu den Diensthundeführern der Polizei keine steuerliche Vergünstigung als Ausgleich für die entstehenden Kosten erhalten. Ich habe mir einen V70 Kombi gekauft, der mit etlichen Komfortfunktionen ausgestattet ist – unter anderem mit einer Sitzheizung. Wir brechen an einem nasskalten Freitagnachmittag mit meinem Volvo Richtung Hamburg auf. Den Vormittag haben wir auf dem Übungsplatz verbracht und sind ordentlich durchgefroren. Daher schalte ich die Sitzheizung für uns ein. Lancer ist während der Fahrt schweigsamer als sonst. Erst als ich nach etlichen Kilometern nachfrage, ob es ihm recht ist, wenn ich auch seine Sitzheizung ausschalte, lehnt er sich entspannt zurück und sagt: »Sitzheizung – das gibt es? Ich habe schon überlegt, wie ich dir schonend erkläre, dass ich inkontinent bin und in deinem neuen Wagen eingenässt habe.« Ich bin mir nicht sicher, ob er mich mit seinem trockenen Humor auf den Arm nehmen will oder ob er es ernst meint. Während der Weiterfahrt unterhalten wir uns aber doch wie gewohnt. Er scheint also tatsächlich noch nie etwas von einer Sitzheizung gehört zu haben.
Es steht Nachtausbildung auf dem Plan. Die Ausbilder haben einen Hundeführer als Helfer eingeteilt und ihn auf dem Gelände versteckt. Die Hunde tragen einen Beißkorb, sie haben nun die Aufgabe, den Helfer zu finden und anzugreifen. Der Helfer trägt lediglich einen Genitalschutz und eine Unterarmmanschette aus Leder. Sollte etwas passieren, kann der Helfer sich mit ihr schützen. Die ersten Hunde sind bereits mit der Aufgabe fertig und nun soll ich meinen Hund holen. Ich kann kaum meine Hand vor Augen sehen, als ich die Zwingeranlage erreiche. Hier brennt noch Licht. Idor, der bereits durch die akustischen Signale des Helfers »informiert« ist, will nun unbedingt raus und ihn stellen. Ich öffne die Zwingertür und bekomme Idor
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