Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
Lilian.
„Genau. Colonel Belnoir versucht dem General zu erklären, warum er unschuldig ist an der ... missglückten Überstellung des Subjekts #N11001.“ Ninive trat vom Fenster zurück und sah Lilian an. „Oh Scheiße, ihr hattet Recht! Die wollten mich entführen!“
„Wir haben dich auch entführt“, erinnerte Lilian sie, „viel wichtiger ist, welcher Seite du traust.“
Ninive warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, den Lilian nicht richtig deuten konnte, bevor sie wieder ihren Posten am Fenster einnahm. Sie sagte eine Weile nichts, schüttelte nur verärgert den Kopf.
„Sie streiten sich die ganze Zeit nur, das ist doch alles uninteressant ...“, begann sie schließlich erneut. „Der Colonel hat den General Aarick genannt ... ich glaube, das ist sein Vorname.“
Lilian riss die Augen auf und sah Ninive an. Sie schüttelte mit dem Kopf, griff nach ihrem Arm und zog sie vom Fenster weg.
„General Aarick Zervett, er ist vor zwei Jahren zum obersten Befehlshaber der Geheimpolizei ernannt worden. Er ist ein gefährlicher Mann. Und ganz nebenbei ist er der Anführer der Gruppe, die sich Children of Chou nennt.“
„Dann sollten wir rein und ihn uns vornehmen, oder nicht?“, fragte Ninive.
„Nicht nach dem, was ich über ihn weiß, er ... ist gefährlich. Zu gefährlich für uns beide, selbst für dich!“ Lilian deutete mit dem Kinn an, sich zurückzuziehen. Ninive zögerte einen Moment und schien noch einmal zu lauschen.
„Gut“, stimmte sie schließlich zu, „die Unterhaltung ist offensichtlich beendet, der General hat mich als Verlust verbucht, mit dem sie leben müssen. Er hat den Colonel angewiesen, für morgen früh die Schiffe klarzumachen.“
14 | PALAISEAU
Mit einem metallischen Klicken schnappte die Tankabdeckung zu und der Mann verstaute den leeren Kanister wieder in dem schmalen Fach unterhalb der Ladefläche. Er warf einen Blick auf die schräg über ihm gelegene Luke zur Steuerkabine des Schienentrucks, dann kramte er aus der Brusttasche seines Hemdes eine Packung Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Ein erneuter Blick zur Tür. Sie sprach offensichtlich noch, also hatte er Zeit. Er trat einige Schritte zurück und lehnte sich an einen alten Signalmast, bevor er einen tiefen Zug nahm. Der Benzingeruch an seinen Fingern mischte sich mit dem Zigarettenrauch.
Palaiseau war einer der Pariser Vororte, der noch nicht ganz ausgestorben war. Ein Stück abseits der Gleise waren noch einige bewohnte Häuser und der Schein der spärlich gesetzten Laternen entlang der Verbindungsstraße nach Paris drang diffus durch die überwucherten Absperrzäune bis hinunter zum Bahndamm. Der Mann rauchte langsam, er war sich nicht sicher, wann sich die nächste Gelegenheit bieten würde, eine Zigarettenpause zu machen. Sequana hatte ihm gesagt, dass sie vermutlich die ganze Nacht durchfahren würden, um am nächsten Morgen in Camaret anzukommen. Sie hatte nicht gesagt, warum sie dorthin fuhren, aber das war ihm auch nicht wichtig. Er hatte einen Auftrag für den sie bezahlte, mehr musste er nicht wissen. Er war nicht ohne Grund einer der besten Söldner, die man in ganz Paris anheuern konnte.
Er warf einen Blick auf den verglimmenden Stummel der Zigarette und warf diesen dann über die Schienen in die Dunkelheit hinter dem Bahndamm, dann ging er zurück zur Fahrerluke des gepanzerten Schienentrucks. Er wollte Sequana dazu bringen weiterzufahren. Er war noch nie ein Mann mit großer Geduld gewesen. Stattdessen hielt er inne, als er kurz vor der Luke das Gespräch hören konnte. Sie sprach mit einem Mann, sofern man das durch den Sprachverzerrer sicher sagen konnte. Und es ging um die Mission. Es war nicht so, dass er mehr über seinen Auftrag wissen wollte, doch etwas erregte seine Aufmerksamkeit.
Sequana sprach von einer Expedition, die sie verfolgten, und von Ninive, die offenbar so etwas wie eine wertvolle menschliche Fracht war. Und dann hörte er, wo das eigentliche Ziel der Reise lag. Er stutzte, und hätte ihn jemand in diesem Moment gesehen, die Gedanken, die durch seinen Kopf gingen, wären aus seinem Gesicht ablesbar gewesen. Er holte Luft, dann klopfte er laut gegen die Seitenwand des Trucks. Sekunden später beendete sie das Gespräch und öffnete die Luke.
„Lumière?“, fragte Sequana in die Dunkelheit.
„Ja“, entgegnete der Mann, „wir sind aufgetankt und startklar.“
„In Ordnung, doch bevor wir weiterfahren, will ich noch mit Rasmus sprechen.“ Sequana
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