Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
ansonsten war nicht viel über Sasha zu finden, außer ein Erzeugungsdatum, von dem Sequana jedoch wusste, dass es durch Doignac gefälscht gewesen sein musste, um ihre Herkunft zu verschleiern.
Sequana schloss die Daten und schaltete das Terminal ab. Mit einem enttäuschten Seufzen warf sie einen Blick durch die staubige Luft zum einzigen Fenster des Raums. Die Sonne schien spätsommerlich warm vom Himmel. Als sie am Morgen Gallea und die Villa verlassen hatte, tropfte noch die Feuchtigkeit des nächtlichen Regens von den Blättern um sie herum. Hier in der Innenstadt von Paris, wo sich alte Bauten nahtlos aneinanderfügten, war es bereits trocken und warm. Sie spürte ihre Erschöpfung und den fehlenden Schlaf.
Sie hatten bis spät in die Nacht die Villa durchsucht und nichts gefunden, was ihnen weiterhelfen konnte. Die Säuberung der Villa nach dem Ende des Experiments war sehr gründlich gewesen. Keine Dokumente, keine Andenken oder persönlichen Gegenstände waren mehr zu finden. Nur eine dicke Metalltür im Keller, die mit dem Rahmen fest verschweißt war, hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, doch Gallea hatte sie inständig gebeten, dass sie sich dort nicht länger aufhielten. Sequana hatte verstanden warum, denn hinter der Tür war der Ort, an dem die Probanden getötet und verbrannt worden waren. Es war ein eigenartiges Gefühl gewesen, das Sequana nicht einordnen konnte. Sie konnte sich an niemanden aus ihrer Kindheit erinnern, der in diesem Keller gestorben war. Trauer war etwas, dass sie persönlich betreffen sollte, vermutete sie, es musste also eine andere Art von Gefühl sein.
Doch jetzt hatte sie erfahren, dass die einzige Person aus der Zeit, an die sie Erinnerungen hatte, ebenfalls tot war. Auch wenn es erste einige Jahre später geschehen war. Sie dachte über den Artikel in Sashas Akte nach. Die einzige Spur, die sie hatte, war die von Charles Bruchot, da seine Tochter gestorben und Doignac verschwunden war. Der Professor hatte Bruchot als seinen Mentor bezeichnet, und zudem wusste er auch von ihr, da er sie, Ninive, Sasha und Cygne in sein Programm aufgenommen hatte. Er war ihre beste Spur. Allerdings war sie vermutlich nicht die einzige, die von Bruchots Verbindung zu Doignac wusste. Sie musste vorsichtig vorgehen und nichts übereilen, auch wenn ihr diese Art zu Handeln ganz und gar nicht lag.
Bevor sie das Personenregister verließ, besorgte sie sich noch die Adresse Bruchots aus seiner Akte. Dabei kam ihr der Gedanke, auch nach Claudette van Ijssel zu suchen. Große Teile ihrer Akte waren unzugänglich ohne entsprechende Berechtigung. Sie fand keine neue Spur, die sie mit Sasha in Verbindung bringen konnte, abgesehen von dem Namen eines Journalisten, der sich um Aufklärung im Falle Claudette van Ijssel bemüht hatte und dabei mit ihrem Vater öffentlich aneinandergeraten war, wie ein weiterer Artikel einige Tage nach dem Laborunfall zu berichten wusste. Sequana speicherte sich den Namen des Journalisten – Adrian Karim – auf ihrem Comdevice und suchte sich auch dessen Adresse heraus, bevor sie schließlich das städtische Archiv verließ.
40 | WILDGÄNSE
Eva fand ihre Ruhe in dem alten Sessel in der Küche später am Nachmittag. Solvejg war im Wohnzimmer und ging ihre täglichen Lektionen des Bildungsprogramms für Somatoniker durch. Der Nebel hatte sich gelichtet, und auch wenn der Regen immer noch nicht daran dachte aufzuhören, so konnte sie doch weit über das umliegende Gebiet des ehemaligen Hafens blicken. Sie sah die hohen, in sich gedrehten Türme des Kommunikationsministeriums hinter dem kleinen Grasbrook aufragen, eines der vielen futuristischen Gebäude, die in den letzten drei Jahrzehnten in Hamburg entstanden waren. Vor allem das alte Hafengebiet und die Bereiche südlich der Elbe waren überfüllt mit diesen Gebäuden, während die alte Innenstadt an der Binnenalster noch ihr ursprüngliches Gesicht bewahrt hatte. Eva hätte gerne dort gewohnt, doch es gab praktisch nie freie Wohnungen oder Häuser, und wenn doch mal etwas frei wurde, überstieg die Summe, die bei der Versteigerung erreicht wurde, ihre Gehaltsstufe bei Weitem.
Sie löste ihren Blick von den Ministeriumstürmen und blickte wieder auf ihr Compad. Zusammen mit Solvejgs Hab und Gut waren ihr die Aktenfreigaben geliefert worden, da sie nun auch zu ihrem gesetzlichen Vormund geworden war, zumindest für die Dauer, die ihre Patientin bei ihr wohnte. Das gab Eva einige Möglichkeiten Dinge über Solvejg
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