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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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wirklich Neuigkeiten!
Dembski war gar nicht tot? Ja, aber ist er denn nicht identifiziert worden?
Wenn ich mich recht erinnere, wurde sein Tod doch sogar amtlich bestätigt.«
    »Das Schreiben war eine Fälschung«, sagte Stamm. Er gab ihr einen
Abriss der Ereignisse.
    »Okay«, sagte die Ärztin, als er fertig war. »Das ist ja eine
faszinierende Geschichte. Und zu Angelas Missbrauch hat sich nichts Neues
ergeben?«
    »Leider nichts Genaues«, sagte Stamm. »Es sieht wohl wirklich so
aus, als sei sie damals auf dem Volksfest vergewaltigt und anschließend von
ihren Eltern zu einer Abtreibung gezwungen worden. Auf die satanistischen
Rituale, von denen sie berichtet, gibt es keinerlei konkreten Hinweis.«
    Dr. Terlinden dachte lange nach. Schließlich schüttelte sie
langsam den Kopf. »Ich kann nach wie vor nicht glauben, dass das alles war.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Eine Vergewaltigung ist natürlich ein
traumatisches Erlebnis, aber nach meinen Erfahrungen kann sie nicht ausgereicht
haben, um diese verheerende, bleibende Belastungsstörung zu verursachen. Ich
kann mir auch nur schwer vorstellen, dass Angelas exakte Schilderung des
satanistischen Rituals ausschließlich ihrer Phantasie entsprungen ist. Selbst
wenn wir davon ausgehen können, dass sie ein Stück weit Ereignisse konstruiert
hat und sich diese durch Wiederholung verfestigt haben. Aber ein realer Kern
muss nach meiner festen Überzeugung vorhanden sein, und der muss näher dran
sein an ihren Schilderungen als eine singuläre Vergewaltigung in einem ganz
anderen Kontext auf einem Volksfest.«
    Ein längeres Schweigen erfüllte das Arztzimmer. Corinna Metzger
verlor als Erste die Geduld.
    »Und was ergibt sich aus alldem?«, fragte sie.
    Dr. Terlinden sah sie lange an, bevor sie antwortete. »Ich kann
Ihnen nur raten, Angela mit Ihren neuen Erkenntnissen nicht zu belasten. Sie
könnte sie nicht adäquat einordnen, es würde sie vermutlich mehr verwirren als
ihr helfen. Sollte eines Tages zweifelsfrei geklärt werden, was ihr in den
dunklen Jahren ihrer Jugend tatsächlich widerfahren ist, könnte man überlegen,
ob man dieses Wissen therapeutisch nutzen kann. Was ihr unter den gegebenen
Umständen hilft, ist Liebe und Zuwendung.«
    Sie sah dabei Corinna an, die ihren Blick trotzig gesenkt hielt.
Stamm beobachtete die beiden Frauen und versuchte, jede Regung zu vermeiden.
    »Wie stellen Sie sich das vor?«, stieß Corinna schließlich matt
hervor. »Ich tue ja, was ich kann, aber ich lebe nun mal in Düsseldorf. Ich
kann sie nicht mal eben nach Feierabend besuchen.«
    »Das ist völlig klar«, sagte Dr. Terlinden ruhig. »Das ist auch
gar nicht nötig. Angela ist ja bei Herrn Bach in guten Händen. Aber vielleicht
könnten Sie sie mal für eine Woche zu sich nehmen, ihr mal einen Tapetenwechsel
ermöglichen. Ein bisschen mehr Normalität als in den letzten Jahren würde schon
nützen. Ich denke, Angela hat sehr deutlich gespürt, wie geheimnisumwittert
Ihre sporadischen Besuche waren.«
    Corinna Metzger fuhr hoch, setzte zu einer Entgegnung an, senkte
dann aber schweigend wieder den Blick.
    »Ich bin außerdem inzwischen der Meinung, dass Sie über eine
Kontaktaufnahme zu Ihrer Mutter nachdenken sollten«, fuhr Dr. Terlinden
fort. »Man sollte das nicht unkontrolliert machen, aber eine umsichtig
vorbereitete Begegnung könnte meiner Meinung nach hilfreich sein. Vielleicht
ergibt sich daraus auch eine Wiederaufnahme der Beziehung unter neuen
Vorzeichen. Wenn das gelingt, könnte es für Angela von unschätzbarem Wert
sein.«
    Als sie auf den Parkplatz traten, hielt Corinna Metzger Stamm
den Autoschlüssel hin. »Wäre mir lieb, wenn du fahren könntest«, murmelte sie.
    Stamm nickte und nahm den Schlüssel.
    Nachdem er sich in den schwachen Verkehr eingefädelt hatte, sagte
Corinna: »Du bist der Einzige, der meine Mutter in letzter Zeit gesehen hat.
Was … ich meine … wie ist sie so?«
    »Traurig«, sagte Stamm. »Resigniert, aber nicht völlig. Hat die
Wodkaflasche in der Nähe, aber ich glaube, sie greift nicht regelmäßig danach.
Sie hat Schuldgefühle, aber sie ist auch nicht bereit, die ganze Schuld auf
sich zu nehmen. Fühlt sich vermutlich ein wenig zu Unrecht verstoßen. Und liegt
damit nicht falsch, wenn du mich fragst. Sie badet aber auch nicht in
Selbstmitleid. Wie soll ich mich ausdrücken? Ich glaube, ihre Gefühle haben
eine … hmm, eine unter dem Strich irgendwie stimmige, angemessene Tendenz. Dr. Terlinden
würde

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