Soljanka (German Edition)
erfolgreich
wäre. Abgesehen davon war unsere Bewegung viel zu schwach, um aus eigener Kraft
mehr zu erreichen. Bach glaubte, Dembski stürzen zu können, weil er angeblich
Erkenntnisse hatte, dass dieser unter dem KoKo-Mäntelchen auch auf eigene
Rechnung arbeitete und die Partei damit schädigte. Das schien eine konkrete
Perspektive zu sein.«
»Bis Bach schließlich verhaftet wurde«, hakte Stamm wieder ein.
»Genau. Das war natürlich ein Schlag ins Kontor. Ich habe mich
damals für ihn eingesetzt, aber es war zwecklos. Dembski hatte seine Falle gut
aufgebaut. Ich habe mehrere Eingaben für Bach gemacht und dabei auch dessen
Verdacht kommuniziert. Aber leider hatte mich Bach nicht so weit eingeweiht,
dass ich mit Einzelheiten aufwarten konnte. So blieb Dembski ungeschoren, aber
ich bin fest davon überzeugt, dass meine Aktivitäten nicht ganz ohne Wirkung
blieben. Er stand fortan sicherlich unter verschärfter Beobachtung und konnte
seine Geschäfte nicht mehr so ungestört betreiben, wie er es gewohnt war. Es
war jedenfalls schon auffällig, dass Dembskis Versuche, mich zu diskreditieren
und auszuschalten, die es nachweislich gegeben hat, erfolglos blieben. Am Ende
herrschte so eine Art stillschweigendes Agreement. Wir trieben es in unserem
Friedenszirkel nicht zu wild, und dafür ließ man uns, wenn auch unter strenger
Beobachtung, gewähren. Wahrscheinlich verlor sogar Dembski allmählich das
Interesse, mich zu bekämpfen, da ihm wohl klar wurde, dass ich nichts in der
Hand hatte, um ihm weiter zu schaden.«
»Mhm«, machte Stamm. »Das klingt plausibel, aus Dembskis Sicht sogar
vernünftig. Dazu passt aber irgendwie nicht, dass er sich Jahre später zu einem
irrationalen Racheakt hinreißen ließ, dem Ihr Sohn zum Opfer fiel.«
Fenten ließ sich nicht beirren. »Ich sehe da keinen Widerspruch. Ich
will ja nicht behaupten, dass Dembski jahrelang darauf gelauert hat, mir
irgendetwas heimzuzahlen. Aber als sich eine Gelegenheit bot, die ihm gerade
nützlich erschien, hat er sie, wahrscheinlich mit sardonischer Freude,
ergriffen.«
Es entstand eine Pause, die sich unangenehm hinzog. Stamm tat so,
als mache er sich ein paar Notizen. Schließlich sagte er: »Es tut mir leid,
dass ich noch einmal darauf herumreiten muss, Herr Fenten. Aber für mich tut
sich hier eine leichte Ungereimtheit auf. Sie sagten eingangs, dass Rico kein
falsches Alibi angegeben habe. Andererseits räumen Sie zwischen den Zeilen ein,
dass Dembski es nicht gezielt oder gar geplant darauf abgesehen hatte, Rico zu
schaden. Ich frage mich immer noch: Worin bestand nun eigentlich die
Gelegenheit, die sich ihm aufgetan haben soll? Verstehen Sie mich bitte nicht
falsch, ich glaube nach wie vor nicht an die Schuld Ihres Sohnes. Ich spiele
nur gewissermaßen den Advocatus diaboli, um möglichst alle Zweifel auszuräumen.
Also konkret gefragt: Wie hat es Dembski Ihrer Meinung nach geschafft, Ihren
Sohn da hineinzuziehen? Und wie kam er ausgerechnet auf ihn?«
Fenten sah Stamm mit einem herablassenden Blick an. »Ich glaube, wir
müssen hier mit einem Missverständnis aufräumen, zu dessen Entstehung ich
vorhin vielleicht sogar selbst beigetragen habe«, sagte er. »Dass Dembski nicht
mehr nach Gutdünken schalten und walten konnte, bedeutet nicht, dass er
entmachtet gewesen wäre. Er hatte seine Finger immer noch überall drin, und er
war geschickt genug, sein Netz sogar nach der Wende einigermaßen intakt zu
halten. Ich bin überzeugt, dass er über jeden Ermittlungsschritt im
Zusammenhang mit der Vergewaltigung seiner Tochter im Bilde war. Und irgendwann
muss er in irgendeiner Ecke dieses Bildes Rico entdeckt haben. Mein Sohn war im
falschen Moment am falschen Ort. Auf diesem Volksfest. Er ist von den
Ermittlern wie viele andere befragt worden. Ich nehme an, als er in Dembskis
Blickfeld geriet, reifte bei diesem sein teuflischer Plan. Mit Hilfe alter
Seilschaften hat er es geschafft, Rico bei der Polizei als Lügner zu stempeln.
Und dort ist man ihm in gewohntem Gehorsam gefolgt.«
Stamm kniff die Augen zusammen, dann wischte er sich einen
imaginären Fremdkörper aus dem Augenwinkel, um Zeit zu gewinnen.
Schließlich setzte er sich gerade auf und sagte: »Wenn ich das
bisher richtig verstanden habe, hat Rico angegeben, dass er zur Tatzeit mit
Freunden zusammen war. Und wenn ich weiterhin nicht ganz falschliege, stimmte
das nicht. Was konnte Dembski da manipuliert haben?«
»Ich habe mit Ricos Freunden gesprochen. Sie sind suggestiv
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