Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
Mönchs, doch auf seinem angespannten, hageren Gesicht erkannte ich einen dünnen Schweißfilm.
    »Ich habe ihn richtig heftig ›gepusht‹, Ave«, keuchte er. »Wenn du mich jetzt hören kannst, dann habe ich ihn wirklich richtig heftig ›gepusht‹. Ich bleibe in der Nähe und halte es aufrecht, so lange ich kann. Ich passe auf dich auf!«
    Sein Gesicht verschwand wieder, und danach gab es nur noch das Keuchen körperlicher Anstrengungen, und die Decke, und die Schmerzen.
    »Setzt ihn mal kurz ab«, hörte ich Milton sagen. Die Welt neigte sich zur Seite, und man senkte mich zu Boden. Plötzlich rutschte Gatz’ Hand ab, und die letzten dreißig Zentimeter legte ich sehr rasch und unsanft zurück. Schlaff rollte mein Kopf zur Seite, und wenn ich es gekonnt hätte, dann wäre ich fluchend zurückgeschreckt, denn Marilyn Harper starrte mir direkt in die Augen.
    Sie lag auf dem Boden und wirkte sehr erstaunt, als sei sie gerade eben hingefallen und liege nun lediglich vor Überraschung noch dort. Ihre Hände waren immer noch gefesselt, ihre Arme so weit verbogen, dass es unangenehm sein musste. Ihr Haar fiel ihr ins Gesicht, rot und starr. Ihr Mund war ein wenig geöffnet, ihr Gesicht nur noch eine Maske, und am ausgefransten Loch in ihrer Stirn hing ein Tropfen Blut.
    »Wirklich eine Schande«, seufzte Tanner und klang dabei ziemlich außer Atem. »Der alte Scheißkerl ist wirklich ziemlich rau, was, Wunderknabe?«
    Gatz sagte nichts.
    Anklagend bohrte sich der Blick der Reporterin in meine Augen, und ich konnte den Kopf nicht abwenden. Ich hatte zu lange gelebt, hatte viel zu selbstsüchtig ums Überleben gekämpft, und das sollte das Ergebnis sein? Ich hatte für diese Marilyn Harper nun wirklich nichts übrig, aber das war einfach nicht zivilisiert! Sie hatte nicht das Geringste getan, das so etwas gerechtfertigt hätte: von Cainnic Orel in den Kopf geschossen! Ich hätte so sterben sollen, und ich wurde den Gedanken nicht los, sie habe irgendwie eine Kugel abgefangen, die eigentlich für mich bestimmt gewesen war.
    Während meine Knochen allmählich zu Asche verbrannten, wollte ich nichts im Leben mehr als jetzt den Blick abwenden zu können.
    »Also gut, Wunderknabe«, seufzte Tanner schließlich. »Legen wir los. Der Blechkopf wartet schon draußen. Für die Mönche ist es doch richtig gut nachvollziehbar, wenn Cates hier erledigt wurde. Viel realistischer. Also legen wir los, und dann muss ich mein Kostüm anziehen.«
    Während ich aus der Montagehalle hinausgetragen wurde, sah ich sehr deutlich Gatz’ Schulter; Schweiß troff daran herab, und ich hörte auch seinen Atem, angestrengt und keuchend, als wäre er völlig verschleimt; es rasselte regelrecht. Ich begriff, dass mein Leben ganz in seiner Hand lag. Wenn Bruder West zu rasch die Wirkung des ›Pushs‹ abschüttelte, dann würde ich entweder aufgeschlitzt, oder man ließ mich einfach liegen und in aller Ruhe abkratzen. Alles hing von Kev Gatz ab. Ich hatte keine Angst. Ich war bereit. Ich war bereit, dass es endlich vorbei wäre.
    Während der Schmerz mir das Sehvermögen nahm und alles wieder schwarz wurde, stürzte ich mich geradezu begierig in diesen Abgrund hinein.
    Als ich wieder zu mir kam, war ich völlig fertig. In der Ferne hörte ich Schweber-Verdrängung, Schreie, vielleicht auch einen Schuss. Deutlich mehr in der Nähe, unmittelbar über mir: ein Summen.
    Der rote Schmerz zog sich zurück, als würde Wasser verdampfen, und ließ mich blind zurück – im Inneren von irgendetwas mir gänzlich Unbekanntem. Es bewegte sich. Das gleichmäßige Hämmern schwerer Stiefel auf geborstenem, feuchtem Straßenpflaster, fast übertönt vom undeutlichen, matten Summen von Hydrauliken. Ich konnte nicht atmen, konnte mich nicht bewegen. Ich versuchte es erneut, schlug innerlich um mich, schrie, hämmerte gegen die Seitenwände meines Gefängnisses – was auch immer es nun sein mochte. Nichts. Nicht einmal ein erschrecktes Keuchen. Ich lag bloß da, starrte in die Schwärze, lauschte dem schweren Schritt von Bruder West, als er mich irgendwie zur Westminster Abbey schaffte.
    Das Einzige, das ich sehen konnte, waren Marilyn Harpers Augen: weit aufgerissen und doch blicklos – genau wie sechsundzwanzig andere Augenpaare, die ich schon gesehen hatte.
    Ein alter Mann, von seinem Frühstück in einem Cafe der Morton Street aufgescheucht, erledigt mit einem Glückstreffer, der seine Nase in eine blutige Furche verwandelt hatte. Zwillingsbrüder, die wieder

Weitere Kostenlose Bücher