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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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im Wege steht.«
    Einen Moment lang ging Marin weiterhin rückwärts, sagte nichts, und drehte sich dann schweigend um. Ich wusste, dass er unsere Abmachung als ›erledigt‹ betrachten würde, sobald wir ins Freie kamen. Er mochte vielleicht nicht aktiv versuchen, mich zu töten, aber ich spürte ganz deutlich, dass er nicht sonderlich wütend oder enttäuscht wäre, wenn Elias Moje mich einfach über den Haufen schießen würde. Marin konnte mich retten. Es bedurfte nur eines einzigen Wortes, er brauchte sich nur an Moje zu wenden. Ein einziges ablehnendes Wort, und Moje mochte an seiner Zunge ersticken und vor Zorn am ganzen Leib zittern wie Espenlaub – aber Moje hatte vor Marin entschieden zu große Angst, um einen direkten Befehl zu missachten.
    Und Moje, dieser wohlgenährte, schicke Dreckskerl! Gott allein wusste, worin seine eigentlichen Aufgaben bestehen mochten, was er in seiner Funktion als Officer der System-Sicherheit talsächlich tun sollte, doch anscheinend fiel auch ›einen einzigen, popeligen Revolverhelden quer über die ganze Welt zu verfolgen‹ genau in seine Tätigkeitsbeschreibung. Selbst wenn es mir jetzt gelänge, ihm noch irgendwie zu entkommen, würde er mir mit aller Entschlossenheit folgen, die ein beleidigter unbedeutender, kleiner Mann aufzubringen vermochte. Und wenn ich ihn tötete, würde es noch andere geben. Selbst wenn Marin tatsächlich sein Versprechen hielte – meine Akte komplett zu tilgen und mir eine neue Identität zu verschaffen –, würde ich doch früher oder später einen anderen System-Bullen schief anschauen und wäre in genau der gleichen Lage. Das ganze gottverdammte System war einfach kaputt. Seitjahrzehnten regierten Wahnsinnige, und jetzt würden eben Dick Marins Avatare regieren, und die Elias Mojes dieser Welt würden weiterhin unsere Knochen unter ihren hochglanzpolierten, teuren Stiefeln zermalmen, bis diese Männer schließlich alt und fett geworden waren und, mit einer dicken Pension abgesichert, irgendwo starben – im Schlaf. Und selbst dabei würden sie noch über uns lachen.
    Ich wollte nicht mehr Teil dieses Systems sein. Es war nicht mein Ziel, irgendwo ganz oben auf einer Pyramide zu sitzen. Ich musste an Kev Gatz denken. Der arme Spinner hätte wirklich etwas Besonderes werden sollen, jemand, der von anderen bewundert und gefeiert wurde, doch stattdessen war er jetzt, nach einem harten Leben, einfach tot, und es gab ein Dutzend weitere wie ihn, die in genau die gleiche Scheißsituation kamen. Wenn ich sowieso sterben musste, dann sollte ich dem System wenigstens noch so viel Ärger bereiten, wie ich nur konnte.
    Der Gedanke ließ mich ein wenig innehalten: Echte Aufregung durchfuhr mich, während sich in meinem Kopf allmählich ein richtiger Plan entfaltete, total verrückt – und gleichzeitig das Einzige, was ich überhaupt tun konnte. Belling und Kieth blickten zu mir. Ich schaute Belling in die Augen und lächelte. Er starrte mich an, und ich begriff, dass er verstanden hatte – mein Gesichtsausdruck musste einem alten Gauner wie ihm sofort vertraut gewesen sein. Er hatte gesagt, ich solle ihm einen Grund liefern, dazu ein paar Cops, die er töten könnte. Ich glaubte, Ersteres tatsächlich tun zu können – und was Letzteres betraf, so befanden wir uns derzeit in der Gesellschaft von ein paar der dreckigsten Cops der ganzen Welt. Es dauerte einen Moment, doch dann erwiderte Wa mein Lächeln.
    Der Korridor führte immer weiter aufwärts. In dem unglaublichen Kugelhagel hatten wir noch ein paar weitere Sturmtruppen verloren; Mojes Team bestand jetzt noch aus sechs Mann. Verdammte Scheiße, System-Bullen ließen sich genau so umbringen wie jeder andere auch!
    Die Sturmtruppen brachen eine letzte Tür auf, dann traten wir blinzelnd in einen hellen, verregneten London-Morgen hinaus. Überall waren Sirenen und Verdrängungsfelder zu hören, die Hälfte des blauen Himmels war mit dichtem, trägem, schwarzem Rauch bedeckt. Überall auf dem Gelände des Gebäudekomplexes sah man tote Mönche. Schwelend lag ein abgestürzter Schweber keine zehn Meter von uns entfernt. Die sechs Sturmtruppen gruppierten sich um uns, doch es war ziemlich eindeutig, dass dieser Teil der Stadt im Augenblick verlassen war.
    Moje und Marin wendeten sich zu mir um. Ich war erstaunt, dass Dick Marin immer noch perfekt frisiert und gänzlich sauber wirkte, als hätte er nicht die letzten Stunden damit verbracht, durch Wahnsinn und Mord und Staub zu kriechen. Moje grinste.

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