Sommer am Meer
stehenlassen.“
„Woher weißt du, daß es keiner gestohlen hat?“
„Weil ich von hier aus sehen kann, daß es auf uns wartet.“
Es dauerte eine Weile, bis sie ihre ganze Habe auf dem Rücksitz verstaut hatten. Aber am Ende war alles untergebracht, zuoberst der Pappkarton mit den Lebensmitteln. Virginia gab dem Träger ein Trinkgeld, und sie stiegen alle drei vorne ein, Cara in der Mitte, die Tür auf Nicholas' Seite sicher verriegelt.
Virginia hatte das Verdeck zurückgeklappt und sich einen Schal um den Kopf gebunden, aber Cara blies der Wind die Haare nach vorn ins Gesicht.
„Wie lange dauert es, bis wir da sind?“
„Nicht lange, ungefähr eine halbe Stunde.“
„Wie sieht das Haus aus?“
„Wart's nur ab.“
Auf der Hügelkuppe hielt sie an, und sie blickten zurück, um die Aussicht zu betrachten, die herrliche Mount's Bucht, still und blau, erfüllt von der Wärme des zu Ende gehenden Tages. Ringsum waren kleine Felder, und die Gräben waren blau von wildem Krätzkraut. Sie fuhren weiter, hinunter in ein kleines Tal mit uralten Eichen und einer Brücke, unter der ein Bach floß, einer alten Mühle und einem Dorf. Dann wand sich die Straße wieder hinauf zur Heide, und unversehens lag der gerade, helle Horizont des Atlantiks vor ihnen, der westlich im Sonnenglast glitzerte.
„Ich dachte, das Meer ist hinter uns“, sagte Nicholas. „Ist das noch ein Meer?“
„Scheint so.“
„Ist das unseres? Gehen wir da baden?“
„Ich denke schon.“
„Gibt's da einen Strand?“
„Ich hatte keine Zeit nachzusehen. Auf jeden Fall gibt es viele steile Klippen.“
„Ich will einen Strand. Mit Sand. Du sollst mir einen Eimer und eine Schaufel kaufen.“
„Alles zu seiner Zeit“, sagte Virginia. „Eins nach dem anderen, ja?“
„Du sollst mir morgen einen Eimer und eine Schaufel kaufen.“
Sie stießen auf die Hauptstraße und bogen ostwärts ab, parallel zur Küste. Sie ließen Lanyon und die Straße nach Penfolda hinter sich, erklommen den Hügel und kamen zu den windschiefen Weißdornsträuchern, die die Abzweigung nach Bosithick markierten.
„Wir sind da!“
„Aber da ist ja gar kein Haus.“
„Du wirst es gleich sehen.“
Rumpelnd ruckelte das Auto den Feldweg entlang. Von unten klapperte es unheilvoll, rechts und links rückten die hohen Stechginsterbüsche bedrohlich nahe, und Cara, die um die Lebensmittel fürchtete, griff mit einer Hand nach hinten, um den Karton festzuhalten. Sie holperten um die letzte Ecke, fuhren in einer beängstigenden Kurve die Grasböschung hoch und kamen mit einem Ruck zum Stehen. Virginia zog die Handbremse an und stellte den Motor ab. Die Kinder blieben im Auto sitzen und starrten auf das Haus.
In Penzance war kein Wind gegangen, die Luft war mild und warm gewesen. Hier war ein schwaches Wimmern zu hören, und es war kühl. Die zerrissene Wäscheleine bewegte sich im Wind, und das hohe Gras auf der Mauer lag flach wie ein von einer Hand glattgestrichener Pelzmantel.
Und da war noch etwas. Etwas stimmte nicht. Virginia starrte einen Moment in die Luft, versuchte zu ergründen, was es war. Und dann sagte es Cara: „Der Schornstein raucht.“
Virginia fuhr zusammen. Ein unbehaglicher Schauer lief ihr wie kaltes Wasser den Rücken hinunter. Es war, als hätten sie das Haus überrascht, als hätten die namenlosen, ungeahnten Wesen, die es sonst behausten, nicht mit ihnen gerechnet.
Cara spürte Virginias Unruhe. „Was hast du?“
„Nichts.“ Sie klang zuversichtlicher, als ihr zumute war. „Ich war nur überrascht. Gehen wir nachsehen.“
Sie stiegen aus. Gepäck und Lebensmittel ließen sie im Auto. Virginia stieß das Tor auf und trat beiseite, um die Kinder vorzulassen, während sie in ihrer Tasche nach dem Schlüsselring kramte.
Sie gingen voran; Nicholas rannte, um zu erkunden, was hinter der Hausecke lag, Cara stapfte vorsichtig, als dringe sie unbefugt hier ein; sie wich einem alten Teppich aus, einem umgefallenen Blumentopf, die Hände fest verschränkt, um ja nicht in Versuchung zu geraten, etwas anzufassen.
Zusammen öffneten sie die Haustür. Als sie nach innen schwang, sagte Cara: „Meinst du, es sind Zigeuner?“
„Zigeuner, wieso?“
„Die das Feuer angemacht haben.“
„Das werden wir gleich sehen...“ Der Geruch nach Mäusen und Feuchtigkeit war verschwunden. Das Haus strahlte Frische und Wärme aus, und als sie ins Wohnzimmer traten, fanden sie es erhellt vom Feuerschein. Die ganze Atmosphäre des Hauses war
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