Sommer am Meer
übelnehmen.“
Sie fuhren im strömenden Regen nach Penzance. Auf der Hügelkuppe herrschte dichter Nebel. Die Schwaden tanzten im Wind, lockerten sich hier und da und gaben einen Blick auf die Straße frei, schlossen sich dann wieder, so daß Virginia kaum das Ende der Kühlerhaube sehen konnte.
Penzance war überflutet vom Regen, Verkehr und von enttäuschten Urlaubern, die das Wetter von ihrem üblichen Zeitvertreib abhielt. Sie verstopften die Bürgersteige, standen in Ladeneingängen herum, umkreisten ziellos die Ladentische auf der Suche nach etwas, das sie kaufen könnten. Hinter den beschlagenen Fenstern der Cafes und Eisdielen konnte man sie dichtgedrängt an kleinen Tischen sitzen sehen, wo sie gemächlich tranken, schleckten, kauten; sie wollten den unvermeidlichen Moment, wo sie wieder in den Regen mußten, möglichst lange hinausschieben.
Virginia fuhr zehn Minuten herum, bis sie einen Parkplatz fand. Im Regen suchten sie in den verstopften Straßen, bis sie zu einem Geschäft kamen, wo es Ölzeug für Fischer und riesige hüfthohe Gummistiefel, Laternen und Taue zu kaufen gab. Sie gingen hinein, Virginia kaufte Cara und Nicholas Jeans und dunkelblaue Rollkragenpullover, schwarze Regenmäntel und Südwester, in denen die Kinder fast ganz verschwanden. Die neuen Regenmäntel und Südwester zogen sie gleich an, das übrige wurde in braunes Papier gepackt. Virginia nahm das Päckchen, bezahlte und ging mit den Kindern, die in ihren neuen Mänteln steif wie Roboter und durch die Krempen ihrer Hüte fast blind waren, wieder auf die Straße.
Es goß immer noch. „Ich will jetzt nach Hause“, sagte Cara.
„Da wir schon mal hier sind, können wir Fisch oder Fleisch kaufen. Und Kartoffeln, Möhren oder Erbsen haben wir auch keine. Vielleicht gibt es hier einen Supermarkt.“
„Ich will einen Eimer und eine Schaufel“, sagte Nicholas.
Virginia tat, als ob sie es nicht hörte. Sie fanden den Supermarkt und reihten sich in die herdengleiche Masse ein: Schlange stehen, aussuchen, warten, bezahlen, die Waren in Einkaufstüten laden und aus dem Laden schleppen.
Die Rinnsteine gluckerten, Wasser ergoß sich aus Regenrinnen.
„Cara, kannst du das wirklich alles tragen?“
„Ja“, sagte Cara, die vom Gewicht der Tüte auf eine Seite gezogen wurde.
„Gib Nicholas die Hälfte ab.“
„Ich will einen Eimer und eine Schaufel“, sagte Nicholas.
Aber Virginia hatte kein Geld mehr. Sie wollte ihm gerade sagen, er müsse warten, bis sie das nächste Mal einkaufen gingen, aber da hob er das Gesicht unter der Krempe des Südwesters, seine Augen waren riesengroß und füllten sich mit Tränen. „Ich will einen Eimer und eine Schaufel.“
„Kriegst du ja. Aber ich muß zuerst eine Bank finden und Geld holen.“
Die Tränen verschwanden wie durch Zauber. „Ich hab eine Bank gesehen!“
Sie fanden die Bank; auch hier war vor den Schaltern eine Schlange.
Die Kinder setzten sich erschöpft auf eine Lederbank, wie zwei kleine alte Leutchen, das Kinn auf die Brust gesenkt, die Beine vor sich hingestreckt, ohne Rücksicht darauf, daß jemand darüber stolpern könnte. Virginia wartete in einer Schlange, holte dann ihre Scheckkarte hervor und schrieb einen Scheck aus.
„Sind Sie im Urlaub hier?“ fragte der junge Kassierer. Virginia staunte, daß er am Ende eines solchen Vormittags noch gutgelaunt sein konnte.
„Ja.“
„Bis morgen klärt es sich auf, Sie werden sehen.“
„Das will ich hoffen.“
Als letztes erstanden sie einen roten Eimer und eine blaue Schaufel. Vollbepackt gingen sie zum Auto; der Weg führte die ganze Zeit bergauf. Nicholas, der mit der Schaufel auf den Eimer schlug wie auf eine Trommel, latschte hinterher. Mehr als einmal mußte Virginia sich umdrehen und auf ihn warten, ihn ermahnen, einen Schritt schneller zu gehen. Schließlich verlor sie die Geduld. „Los, Nicholas, beeil dich!“ Eine Passantin hörte den unterdrückten Zorn in ihrer Stimme und sah ihr nach, ihre Miene zeigte höchste Mißbilligung über eine so lieblose, ungeduldige Mutter.
Und dabei war erst ein einziger Vormittag vergangen.
Es regnete immer noch. Endlich langten sie beim Auto an, beluden den Kofferraum mit Paketen, zogen die triefenden Regenmäntel aus, stopften auch sie in den Kofferraum, kletterten in den Wagen, schlugen die Tür zu, unendlich froh, daß sie endlich im Trockenen saßen.
„So“, sagte Nicholas, der immer noch mit der Schaufel auf den Eimer einschlug, „weißt du, was ich jetzt
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