Sommer der Entscheidung
dagegen unternehmen?“ Jody wartete, bis die Bedienung die Vorspeisenplatten vom Tisch geräumt und durch Salatteller ersetzt hatte, bevor sie weitersprach. „Du bist frustriert, das sieht man dir an.“
„Ich bin es leid, immer darauf zu warten, dass der Staat etwas unternimmt. Dieser Junge ist eine Zeitbombe. Sieht das niemand?“ Tessa bemerkte, dass sie lauter geworden war, aber es war ihr gleichgültig.
„Müsste er wieder zurück ins Gefängnis, wenn er am Steuer erwischt wird? Ganz egal, ob er getrunken hat oder nüchtern ist? Einfach, wenn er führe?“
Tessa verzog das Gesicht. „Der Richter hat gesagt, dass, wenn Owens sich nur eine Kleinigkeit zuschulden kommen lässt, er zurück ins Gefängnis wandert und die restliche Zeit absitzt. Und das ist nicht wenig.“
Jody und Diana sahen einander an und nickten. „Ich mache auch mit“, sagte Gayle. „Und ihr beiden, hört endlich auf, so selbstzufrieden dreinzuschauen!“
„Worüber redet ihr?“, wollte Tessa wissen.
Jody ging nicht auf ihre Frage ein: „Sieh mal, wenn du nicht jetzt gerade so erzürnt wärest, wüsstest du, worum es geht. Du bist dir ziemlich sicher, dass Owens wieder einen Wagen fahren wird. Die Polizei wird nicht in seiner Straße Wache stehen, um ihn dabei auf frischer Tat zu ertappen. Auch seine Bewährungshelferin kann das nicht beeinflussen. Sollte er wirklich fahren, wäre seine Mutter die Letzte, die ihn anzeigt, und die meisten Nachbarn wissen auch gar nicht, was los ist. Jemand, der weiß, worum es geht, mussihn beobachten. Und wenn er vom rechten Weg abkommt, muss jemand die Polizei anrufen und ihn anzeigen. Und dann wird hoffentlich dein Richter-Freund den Rest erledigen.“
„Und wer wird ihn beobachten?“
„Du. Wir.“
Tessa rührte sich nicht und überlegte. „Ist das euer Ernst?“
„Die größte Wahrscheinlichkeit, dass dieser Owens-Junge Hummeln im Hintern bekommt, ist die Zeit nach dem Abendessen, also abends. Wir können sein Haus bewachen, um zu sehen, wie er sich verhält. Wir sind zu viert. Wir können uns abwechseln. Sobald klar ist, dass er abends zu Hause bleibt, können wir heimfahren. Natürlich dürfen wir niemandem davon erzählen. Der Verein würde unseren Plan nicht gutheißen.“
Tessas Gedanken überschlugen sich. Der Führerschein von Robert Owens wurde eingezogen. Wenn er beim Fahren erwischt würde, müsste er sicherlich wieder ins Gefängnis. Aber falls eine ihrer Freundinnen ihn in einer Bar erwischte und die Bewährungshelferin anrief, dann könnte die Beamtin von ihm fordern, dass er sich einem Bluttest unterzog. Falls der Test belegte, dass Owens mehr als das erlaubte Maß getrunken hatte, dann würde er auch deswegen zurück hinter Gitter gehen. Der Richter hatte versprochen, darauf zu achten.
Aber waren die vier Frauen nicht kurz davor, Selbstjustiz zu üben? „Frag doch einfach deinen Mann“, sagte Diana. „Frag ihn, ob es ein rechtliches Problem gibt, wenn wir Owens’ Haus beobachten. Wir verfolgen ihn ja nicht im eigentlichen Sinne. Wir parken einfach auf der Straße, in der er wohnt, und schauen, was passiert. Und ich habe noch eine gute Idee: Ich kenne jemanden, der in Manassas bei der Polizei arbeitet. Es ist der Mann einer früheren Freundin aus demCollege. Wenn ich ihm erkläre, worum es uns geht, wird er verstehen, was wir vorhaben. Damit haben wir eine direkte Leitung zu den Ordnungshütern, und mein Bekannter wird schon dafür sorgen, dass Owens wieder in Gewahrsam ist, bevor sein Motor Zeit zum Abkühlen hat.“
Tessa grübelte, was Mack dazu sagen würde. Sie war sich sicher, dass er dem Plan nicht zustimmen würde. Wahrscheinlich würde er sagen, dass dies nicht der richtige Weg sei, das Problem von Robert Owens zu lösen. Aber sie brauchte Macks Erlaubnis nicht. Sie brauchte Gerechtigkeit.
„Ich kann euch nicht darum bitten. Es wird so viel Zeit in Anspruch nehmen“, sagte sie schließlich.
„Du hast uns nicht gebeten“, sagte Jody.
Tessa hob eine Hand. Einen Augenblick lang versagte ihr die Stimme. Alles, was sie an diesem Abend wollte, waren Menschen, die ihr zuhörten, und jetzt bekam sie wesentlich mehr als das. Ihre Freundinnen hatten ihr einen Lösungsweg aufgezeigt, etwas, worauf sie ihre Wut und Sorge lenken konnte. „Ich übernehme jeden zweiten Abend. Dann müsst ihr nur ungefähr einmal in der Woche Wache schieben. Habt ihr dazu wirklich die Zeit und Geduld?“
Tessa fragte sich, warum alles plötzlich so einfach sein konnte.
Nancy
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