Sommer der Entscheidung
tänzelte im Wohnzimmer umher und fragte Mack noch einmal, ob er etwas zu trinken haben wolle. Sie hatten schon einige Zeit damit verbracht, unerträglich zähe Konversation zu betreiben, und er hatte schon wiederholt die Angebote von Kaffee oder Tee abgelehnt.
Er wünschte sich, Nancy würde ihn in Ruhe lassen, aber er konnte es ihr nicht sagen. Er hatte Tessas Mutter noch nie geschätzt. Für ihn war sie ein Fass ohne Boden, in das die Welt Liebe und Bewunderung bis zum nächsten Jahrtausendwerfen konnte, ohne dass es sich nur ein wenig füllte. Sie war eigentlich ein guter Mensch, und er nahm an, dass jedes selbstbewusste Kind, dass mit Helen Henry aufwachsen musste, früher oder später zu einem Würmchen wurde. Aber Verständnis und Verstehen waren zwei unterschiedliche Dinge. Mack verstand, warum sie so war, wie sie war. Jetzt wäre er aber lieber allein gewesen.
Nancy ließ sich in einen Sessel ihm gegenüber fallen, nachdem er ihren Verpflichtungen als Gastgeberin mit einem letzten, kurzen „Nein, danke“ ein Ende bereitet hatte.
„Weißt du, seitdem wir uns das erste Mal begegnet waren, wusste ich, dass du mich nicht leiden kannst.“
Mack war tief in Gedanken über die Dynamik in Tessas Familie versunken, und nun kostete es ihn einige mentale Anstrengung, sich wieder aus dem Sumpf emporzukämpfen. Einen Augenblick lang befürchtete er, er habe seine Gedanken laut ausgesprochen. „Entschuldigung?“
„Oh Mack, lass es sein. Du hast doch gehört, was ich gerade gesagt habe“, seufzte sie. „Ich glaube, es wundert niemanden. Ich kann mich selbst ja auch nicht gut leiden.“
Mack hatte das Gefühl, er habe eine unsichtbare Schranke in ein anderes Universum durchschritten. Nancy war nie geradeheraus gewesen. Er wusste nicht, was er antworten sollte.
Sie lächelte ein wenig. „Ja, ich bin eine echte Person mit echten Gedanken und Gefühlen, und ich habe noch nicht ganz vergessen, sie auszudrücken.“
Er fragte sich, wie sehr ihm die Kinnlade heruntergefallen sein mochte, und ob er sich demnächst einer ernsthaften Gesichtsoperation unterziehen müsse. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass du echt bist“, brachte er hervor.
„Das möchte ich bezweifeln, auch wenn du es nicht genauso sagen würdest.“ Nancy griff nach einer Zeitschrift,die auf einem Beistelltisch lag und fächelte sich damit kühle Luft zu. „Erzähl mir jetzt nicht, dass du mich schon immer mochtest.“
Er brachte es nicht fertig, ihr zu antworten. Sie hatte ihm eine Falle gestellt, aus der er nur herauskam, wenn er log. Und gerade das wollte sie nicht hören.
„Diesen Sommer habe ich entdeckt, dass mein Kopf falsch aufgeschraubt wurde“, sagte Nancy. „Ich habe mich immer bemüht, es allen recht zu machen, so dass ich nicht erkennen konnte, was direkt vor meiner Nase lag.“
„Ich verstehe dich nicht.“
„Ich weiß, dass du die Art nicht gerne magst, wie ich Tessa behandele.“
„Nancy, ich bin nicht auf der Welt, um deine Art der mütterlichen Erziehung zu kritisieren.“
„Als Tessa geboren wurde, war ich so glücklich, dass ich dachte, ich müsste sterben. Ich betete alles an ihr an. Du hättest sie sehen müssen. Diese winzigen Zehen, dieser rosige Mund. Und das Haar? Sie war mit vollem Haar auf die Welt gekommen, und als das ausgefallen war, kamen aus dem Nichts kleine Löckchen. Das würde man jetzt nicht mehr denken, oder? Niemand hat so glatte Haare wie Tessa.“
Mack war nicht begeistert davon, dass er sich ihre Lebensgeschichte anhören musste, aber aus irgendeinem Grund machte sie ihn neugierig.
„Warum erzählst du mir das alles?“
„Ich weiß es nicht. Ich glaube zwar nicht, dass es deine Meinung über mich ändert, aber vielleicht versuche ich es einfach mal. Abends gibt es hier nicht viel zu unternehmen, da wird man schon mal nachdenklich.“
Dann lächelte sie. Weder das laute „Liebmich“-Lachen, das er von ihr gewöhnt war, noch das manipulative „Wenndu-machst-was-ich-will-lächele-ich-dich-noch-mehr-an“-Lächeln,das auch in ihrem Repertoire ganz weit oben stand. Es war einfach ein warmes, einladendes Lächeln, das ihr gut stand und das die Anstrengungsfältchen um ihre Augen milderte.
Mack fragte sich, was er als Nächstes sagen oder tun sollte. Aber sie kam ihm zuvor. Nancy erhob sich und gähnte. „Ich weiß nicht, warum Tessa noch nicht hier ist, aber ich nehme an, sie wird bestimmt gleich kommen. Wenn du hierbleibst, mache ich Waffeln zum Frühstück.“
Sie nickte ihm
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