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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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sie der Gefühlskälte bezichtigen, aber dann hörte sie die Liebe, die in Nancys Stimme mitklang. War sie vielleicht schon immer liebevoll und besorgt gewesen, und war Tessa dieser Wesenszug ihrer Mutter bisher vielleicht nur nicht aufgefallen?
    „Es war schwer für sie, diese Geschichte zu erzählen.“ Tessa spürte, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Wie alle anderen auch hatte sie ihre Großmutter als eine alte Frau abgeschrieben, die keinen an sich heranließ. Tessa kannte niemanden, der als junge Frau alle Menschen verloren hatte, die er liebte. Sie stellte sich die trauernde Witwe vor, die gezwungen war, einfach weiterzumachen, um ihr Baby zu ernähren, das ihr Mann ihr als Abschiedsgeschenk zurückgelassen hatte.
    „Sie hatte Angst, mich zu lieben“, stellte Nancy fest. „Das habe ich erst jetzt begriffen. Indem sie auf Distanz ging, hoffte sie, mich zu beschützen. Wenn sie mich nicht liebte, vielleicht würde ich ungeschoren davonkommen. Dann würde ich überleben.“
    Tessa befürchtete, ihre Mutter habe recht. „Sie liebt dich wirklich.“
    „Ja, ich nehme es an. Aber es war ein furchtbares Erbe. Wenn du aufwächst und nie siehst, wie man wirklich Liebe gibt, dann lernst du es auch nicht. Ich hatte immer Schwierigkeiten damit, meine Liebe zu zeigen, und ich habe es nie richtig gemacht.“
    Nancy wollte keine Zustimmung. Allerdings gehörte ihre Sucht nach Bestätigung zu ihrem Charakter wie ihre Eitelkeit und ihr Bestreben nach sozialem Aufstieg. Aber Tessahatte jetzt nicht das Gefühl, dass ihre Mutter bestätigt werden wollte. Nancy sagte einfach nur ihre Meinung.
    Nancy hatte nie Einblick in die Gefühle ihrer Mutter gehabt. Tessa fragte sich, ob sie selbst denselben Fehler gemacht hatte. Hatte sie allein Nancys Oberfläche wahrgenommen und war ihren Stärken gegenüber blind?
    „Es gab Männer, die deiner Großmutter den Hof gemacht haben“, fuhr Nancy fort. „Ich erinnere mich besonders an zwei. Es waren gute, anständige Männer. Einer war ein Witwer, der drei Jungen hatte. Der andere war ein alter Junggeselle, der in der Nähe von Woodstock lebte und jeden Samstag extra herkam, um bei uns Gemüse zu kaufen. Er hatte sich jedes Mal richtig schick gemacht, manchmal trug er sogar eine Fliege mit Pünktchen drauf. Vielleicht sieht man es jetzt nicht mehr so, aber sie war früher eine sehr attraktive Frau. Das blieb den Männern nicht verborgen.“
    „Aber sie beachtete sie nicht?“
    „Sie war so kalt wie Eis. Sie sagte immer, sie brauche keinen Mann, um den sie sich kümmern müsse, sie habe so schon genug zu tun.“
    Nancy stand auf und ging zum Verandageländer. Sie sah zu dem Baum hinauf, in dem immer noch die Eule schrie. „Hörst du die alte Eule? Als ich ein Kind war, sagte man, wenn eine Schreieule so nah am Haus ist, wird bald jemand sterben.“
    „Es hat schon genug Todesfälle gegeben.“ Tessa dachte nicht nur an den Mann ihrer Großmutter und an ihre Familie, sondern auch an Kayley.
    „Ich glaube, es ist leicht, sich von allem zurückzuziehen, das man liebt und vor dessen Verlust man Angst hat. Wenn man es genau nimmt, hat jeder eine Schreieule im Vorgarten, aber nur diejenigen, die schon zu viel verloren haben, hören sie pfeifen.“
    Tessa überlegte, ob es der Wunsch war, sich vor noch mehr Schmerzen zu schützen, der Mack dazu brachte, ein weiteres Kind haben zu wollen. Hatte er Angst davor, dass er einsam und verbittert alt werden würde, wenn er nicht seine Hand nach jemandem ausstreckte? War auf seine Weise Macks Wunsch nach einem zweiten Kind oder noch mehr Kindern ein Beweis für das Leben an sich, ein Versprechen, dass er an ein wohlwollendes Universum glaubte und dass er genug Mut hatte, es noch einmal zu versuchen?
    Und wenn das stimmte, was hatte er darüber gesagt, dass sie nicht riskieren wollte, verletzt zu werden?
    Nancy wandte sich mit dem Gesicht zu Tessa. Zum ersten Mal hingen ihre Hände entspannt an ihren Armen herab und bewegten sich nicht. Sie waren so ruhig wie Tessas. „Es hat Mama eine Menge Überwindung gekostet, uns das alles heute Abend zu erzählen. Vielleicht sollten wir uns fragen, warum sie das gemacht hat.“
    „Ich glaube nicht, dass es so schwierig für sie war. Sie wollte einfach nur, dass du erfährst, wer du bist, und von welchen Leuten du abstammst.“
    „Alles was sie sagte, war mit Reue verbunden. Hast du das nicht gehört?“
    „Natürlich bereut sie vieles. Ihre Welt geriet aus den Fugen.“
    „Nein, du bereust nichts, über

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