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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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sie lächelte.
    „Glaubst du, dass es Tessa gut geht?“, fragte Helen, als sie ihrem Unmut genügend Ausdruck verliehen hatte.
    Nancy stellte die Törtchen auf den Tisch. „Warum fragst du?“
    „Ich habe sie heute Morgen noch nicht gesehen.“
    „Sie ist oben auf dem Dachboden. Solange es noch einigermaßen kühl dort ist, um es aushalten zu können.“ Nancy machte eine Pause. „Ich glaube, sie wollte allein sein, und oben kann sie sicher sein, dass weder du noch ich auftauchen werden.“
    „Gestern Abend war sie erst sehr spät wieder hier.“
    Nancy fragte sich, ob auch Helen wach gelegen und registriert hatte, wie spät es wirklich war, als Tessa nach Hause kam.
    „Mir gefällt es nicht, dass sie diesen Menschen beobachtet. Das habe ich Mack auch gesagt. Es ist, als würde man Salz in eine Wunde reiben. Aber sie wird nicht auf uns hören.Sie wird das machen, was sie für richtig hält.“
    „Wie ihre Mama.“
    „Nein, Tessa ist Billy viel ähnlicher als mir. Sie beobachtet das Haus dieses Jungen, weil sie glaubt, sie müsse es tun, auch wenn es ihr Leben ruiniert. Und Billy hat mich geheiratet, weil er glaubte, er müsse es tun, egal, welche Konsequenzen es hätte.“
    „Ich habe dich seit Jahrzehnten nicht mehr über dieses Thema sprechen hören.“
    Nancy setzte sich an den Tisch und nahm sich einen Kopenhagener. „Tessa hat vor einigen Tagen unsere Heiratsurkunde auf dem Boden entdeckt. Sie hat herausgefunden, dass ich schwanger war, bevor wir geheiratet haben.“
    Helen sah nicht überrascht aus. „Das musste ja irgendwann einmal passieren. Lieber jetzt, als dass sie es nach deinem Tod herausfindet und du ihr nichts mehr erklären kannst.“
    „Was gibt es da zu erklären? Ich habe einen Mann getroffen, wir hatten Sex, ich wurde schwanger. Es ist eine ganz normale Geschichte.“
    „Es war nicht nur das.“
    Nancy war darüber erstaunt, wie die Konversation verlief. Helens verständnisvoller Ton ließ sie innehalten. Sie neigte den Kopf: „Was war es dann?“
    „Glaubst du, ich hätte nie gewusst, dass du nicht für das Leben hier geschaffen warst? Dass du in Billy jemanden gesehen hast, der dich von hier wegholt?“
    „Ich bin nicht absichtlich schwanger geworden, falls du das meinst. Ich würde es heute zugeben, wenn es stimmte, aber so ist es nicht.“
    „Nein, aber du warst in einer Traumwelt, wenn du mit ihm zusammen warst. Und seitdem du laufen konntest, war mir klar, dass Träume dir wichtig sein würden. Du warst einkleines Feenkind, so empfindsam, was Geräusche und Farben und Stimmlagen anging. Alles erfreute dich oder erschreckte dich zu Tode. Dazwischen gab es nichts. Du hast in deiner Traumwelt gelebt.“
    „So sind Kinder nun einmal.“
    „Aber ich war nicht so. Niemand in meiner Familie war so, außer vielleicht Tom. Vielleicht war Fate so, und ein Unglück in seinem Leben nach dem anderen hat es ihm ausgetrieben, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass er das Leben auf dem Lande eigentlich auch nicht schätzte. Er wollte reisen, neue Länder und Dinge kennenlernen. Er wollte das Leben genießen in einer Art und Weise, die mir völlig fremd war.“
    Nancy war überrascht. Ihr war niemals bewusst gewesen, dass Helen verstand, geschweige denn akzeptierte, wer sie eigentlich war. „Du hast dir so viel Mühe gegeben, mich zu einem anderen Menschen zu machen. Warum? Warum wolltest du, dass ich jemand anderes war?“
    „Ich wollte nur, dass du überlebst. Was sollte ich dir schon anderes bieten? Ich hatte die Farm, und das war das Einzige. Ich hatte keine Möglichkeit, dir das Leben leichter oder besser zu machen.“
    „Es hätte geholfen, einfach zu wissen, dass du mich verstehst.“
    Helen reagierte auf diese Kritik nicht ärgerlich. „Das verstehe ich jetzt. Aber damals hatte ich nicht die Zeit, mir über eine Sache zwei Mal Gedanken zu machen. So, wie du damals warst, tja, es hätte nichts als Ärger gegeben, wenn du hier geblieben wärest. Ich glaubte, dich einfach auf das Leben hier vorzubereiten. Jetzt weiß ich, dass es dir nicht gutgetan hat. So viele der Dinge, die wir im Glauben tun, Gutes zu leisten, stellen sich als falsch heraus. Das ist mit das Traurigste im Leben.“
    Nancy wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie musste ihre ganze Weltsicht neu sortieren. Irgendwo in ihrem Innersten war sie noch das kleine Mädchen, das glaubte, dass ihre Mutter sie für wertlos hielt. Herauszufinden, dass das nicht der Fall war, irritierte sie, und sie brauchte eine

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