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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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Nancy sah sie an und brachte es nicht übers Herz, sie wieder aufzuwecken. Sie legte das Baby vorsichtig auf den Rücken in dieWiege und deckte es zu. Tessas rosige Wangen und ihre geschwungenen schwarzen Wimpern waren für Nancy die perfektesten Dinge auf Gottes Erde.
    Es gab keinen Ort, an dem sich Nancy entspannen und gleichzeitig Tessa weinen hören konnte, wenn sie wieder wach war. Nancy fand sich damit ab, dass sie die nächsten Stunden einsam verbringen würde und in ihrem Zimmer bleiben. Sie ging zu dem Kleiderschrank. Vom obersten Regal nahm sie einen großen Karton und trug ihn zum Fenster, wo sie ihn auspackte. Sie legte einen runden Quilt-Rahmen auf die Erde und eine kleine Zigarrenkiste, in der sie Nadel und Faden aufbewahrte. Schließlich holte sie den halb fertigen Wedding-Ring-Quilt hervor und breitete ihn auf ihrem Schoß aus. Sie spannte den Stoff in den Rahmen und suchte ihre Lieblingsnadel. Nachdem sie den Faden eingefädelt hatte, begann sie, mit kleinen Stichen dem Stoffmuster zu folgen. Sie nähte genau neben dem Saum. Dabei dachte sie über Billy nach.
    Sie war nun schon seit mehr als einem Jahr mit William Lee Whitlock verheiratet, aber eigentlich war er ihr immer noch fremd. In Wahrheit existierte ihre Ehe nur auf dem Papier. Sie lebten in verschiedenen Städten. Sie schliefen in getrennten Betten, bis auf die wenigen Tage, in denen er Pflichtbesuche in Richmond abstattete. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen, unternahmen nichts miteinander, hatten keine gemeinsamen Pläne für die Zukunft. Das Einzige, was sie verband, war Tessa. Billy war höflich, ja sogar lieb, wenn er mit Nancy zusammen war. Sie liebten sich selten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Aber Billy war wie ein Schauspieler, der seinen Text aufsagte. Nancy war in ihrem Leben vielleicht noch nicht viel Liebe begegnet, aber sie wusste, wann sie da war und wann nicht.
    Sie wusste, dass sie Liebe verspürte. Sie liebte Billy. Aberihr Gefühl beruhte nicht auf Gegenseitigkeit.
    Billy sollte in einigen Tagen nach Hause kommen. Aber obwohl sie sich eigentlich sehr auf ihn hätte freuen sollen, machte sie sich Sorgen. Er betete Tessa an, darüber wunderte sich Nancy noch immer. Die Art und Weise, wie Tessa in Billys Leben gekommen war, schien ihm gleichgültig zu sein. Er liebte es, mit ihr zu spielen, sie zu schaukeln und in den Schlaf zu wiegen, sie in der Karre spazieren zu fahren. Während ihr Leben in Richmond immer schlimmer wurde, machte sich Nancy mehr Sorgen darum, wie sehr Billy an dem Baby interessiert war. Billy hing sehr an seiner Tochter. Sollte das bedeuten, dass er um das Sorgerecht kämpfen würde, wenn sie sich trennten, was unvermeidlich war? Und was konnte Nancy dagegen unternehmen?
    Was sollte sie tun? Sie war hoffnungslos in Billy verliebt. Sie fragte sich selbst nach den Gründen dafür und fand keine Antwort. Sie hatte Angst, dass ihre Liebe nunmehr ein Teil einer Quizsendung war, in der es um Worte mit der Vorsilbe „un-“ ging.
    Unvernünftig, unvorhersehbar und unkontrollierbar.
    Tessa wachte kurz vor ein Uhr mittags auf, genau wie es Nancy befürchtet hatte. Nancy legte den Quilt weg und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sie wusste, dass sie Randall bitten könnte, mit ihr Weihnachtseinkäufe zu erledigen, damit sie und das Baby fort wären, wenn Caroline mit ihren Freundinnen nach Hause käme. Aber Tessa war unruhig, und vielleicht hatte sie sogar ein wenig Fieber. Nancy wollte kein Risiko eingehen. Vielleicht lag die Unruhe des Babys nicht nur daran, dass es zahnte. Tessa mit in die Stadt zu nehmen schien Nancy nicht sinnvoll.
    Hattie kam mit dem Tablett mit dem Mittagessen hoch. Während sie Tessa mit der Flasche fütterte, bat Nancy sie um Vorschläge, was sie tun sollte.
    Hattie schwieg lange, als überlege sie. „Ich? Ich würde mit ihr runter ins Wohnzimmer gehen und mit ihr angeben“, sagte Hattie endlich. „Aber verraten Sie Mrs. Whitlock nicht, dass ich das gesagt habe.“
    „Hattie, Sie wissen doch, dass sie mich nicht dabeihaben will. Sie hat mir durch die Blume gesagt, dass ich mich nicht blicken lassen soll und Tessa auch nicht.“
    „Diese Ladys wissen nicht, dass Sie hier sind, und sie wissen auch nicht, wenn Sie weg sind. Sie kann ihnen irgendetwas über Sie erzählen, so, wie es ihr passt. Sie wird den Damen erzählen, dass Sie ein schlechtes Mädchen und eine noch viel schlechtere Mutter sind. Und was sollen die weitererzählen, außer dem, was sie gehört

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