Sommer der Entscheidung
Farben, von einer Dienstreise mitgebracht. Sie hatte sie Kayley geschenkt, als ihre Tochter alt genug war, das Prinzip zu verstehen. Kayley hatte den kleinen Katzen Namen gegeben und stundenlang mit ihnen gespielt.
Tessa starrte aus dem Fenster, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Es war schon eine Weile her, dass sie den Thunfisch aus der Tüte genommen hatte, und sie hatte die Dose noch nicht einmal geöffnet.
„Du machst Abendbrot?“
Tessa war überrascht, als Helen im Türrahmen stand. „Was hältst du von Thunfisch?“
„Ich habe Vorräte, weißt du, oder glaubst du, ich esse nichts?“
„Gram, wir wussten doch nicht, was du hier haben würdest, und deswegen hat Mom einige Lebensmittel mitgebracht.“ Sie machte eine Pause. „Und Wein. Möchtest du ein Glas?“
Helen schlurfte zur Theke. „Hatte seit Jahren keinen Wein mehr.“
„Heißt das, dass du keinen möchtest?“
„Ich nehme an, ein Glas könnte nicht schaden.“
„Wo sind die Gläser?“
Helen gluckste. „Überall, wo du hinsiehst.“
Tessa war überrascht, dass ihre Großmutter so etwas wie einen Witz über ihre Situation machen konnte. Sie nahm ein Glas aus dem Trockengestell und stellte es beiseite. Es hatte einen Sprung. Morgen, wenn Helen nicht hinsah, würde es direkt in den Müll wandern. Das nächste Glas sah besser aus, es hatte sogar einen Aufdruck mit einem Fred-Feuerstein-Comic. Circa 1965.
„Ihr habt alle meine Zeitungen rausgeschmissen. Wer hat euch das erlaubt?“
„Warum waren sie überhaupt im Wohnzimmer?“ Tessa nahm die Weinflasche aus der Papiertüte. Sie war dankbar dafür, dass Nancy auch an einen Korkenzieher gedacht hatte. Das ersparte ihr, in allen Schubladen danach suchen zu müssen.
„Ich habe sie noch nicht gelesen.“
„Das ist gefährlich, wenn mal ein Feuer ausbrechen sollte, Gram. Also, wenn du die Zeitungen nicht liest, wenn sie erscheinen, dann wirst du sie auch später nicht lesen. Außerdem waren es so viele, dass du bis Weihnachten nicht mal einen Bruchteil davon gelesen hättest.“
„Ich bin schon ganz gut vorangekommen.“
Nancy tauchte im Flur auf: „Mutter, diesen Zeitungen zufolge schmückt das World Trade Center immer noch die Skyline von Manhattan, Präsident Clinton beteuert immer noch, nie Sex mit dieser Frau gehabt zu haben, und die Frauen in Afghanistan dürfen immer noch nicht aus dem Haus, solange sie nicht von Kopf bis Fuß von einem Schador bedeckt sind.“
„Die Menschen werfen viel zu viel weg. Eine Verschwendung ist das. Keiner geht mehr richtig mit den Dingen um. Und was habt ihr mit meinen Zeitschriften gemacht?“
Tessa wartete darauf, dass ihre Mutter Öl in das Feuer goss. Sie rang mit dem Korkenzieher, bis es ihr gelang, den Korken aus dem Flaschenhals zu holen. Dann schenkte sie Helen ein Glas ein, stellte es vor sie hin und suchte nach einem zweiten für sich.
„Es waren einige sehr interessante Zeitschriften dabei“, räumte Nancy ein. Tessa war überrascht und schwieg. „Ich kann verstehen, warum es dir schwerfiel, dich von ihnen zu trennen.“
„Ich habe mir noch nicht mal die Hälfte davon angesehen.“
„Sag mir, welche dich am meisten interessieren, und ich such dir die letzten Ausgaben heraus“, sagte Tessa, die dem Urteil ihrer Mutter nur ein Stück weit traute.
„Hast du Abos?“
„Abos? Wozu? Arztpraxen werfen sie weg, sobald sie zu alt geworden sind.“
Und Helen bewahrte sie davor, auf die Halde gebracht zu werden. Das Motto des alten Stoneburner Hofes kam ans Licht. Das Alte, das Überholte musste bewahrt und versorgt werden. Es war Helens Pflicht, weil es sonst niemand tat.
„Mom, möchtest du auch ein Glas Wein?“, fragte Tessa ihre Mutter.
„Morgen hole ich die ganzen alten Sachen wieder rein“, versprach Helen. „Ihr werdet euch wundern. Ihr hattet nicht das Recht dazu, alles hinauszuwerfen.“
Sie nahm ihr Glas in die Hand, quetschte sich an ihrer Tochter vorbei und war schnell zwischen den Stapeln verschwunden. Tessa und Nancy hörten sie durch die Stille wieder langsam nach oben gehen.
„Ich bringe ihr nachher ein Sandwich“, sagte Tessa.
„Das funktioniert hier alles nicht, weißt du.“ Nancy klang müde. „Ich konnte zwei Minuten lang duschen, bevor das Wasser nur noch tropfte, dann habe ich mich mit einem Handtuch aus der Eisenhower-Ära abgetrocknet. Mutter isst nichts, und ich bin mir nicht sicher, ob sie sich wäscht. Sie wird uns nicht machen lassen, was einfach getan werden muss. Wir tragen
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