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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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vernachlässigt worden, und nicht mehr wie schiefes und krummes Flickwerk. Drei Anhänger voll Abfall hatten sie auf die Mülldeponie geschafft. „Es sieht besser aus“, stimmte sie ihm zu, „aber du hättest es vorher sehen sollen. Nicht dass es jemals eine Augenweide gewesen wäre, aber es war schlicht unglaublich.“
    „Hier ist viel passiert, in diesem Haus.“
    Sie dachte, dass das die Sorte Antwort war, die ihm beigebracht worden war, seitdem er sein erstes „dada“ brabbeln konnte. Antworten, die höflich waren, aber keinen nennenswerten Inhalt hatten. Sie war von sich selbst überrascht. Dieser Gedanke, dieser beiläufige, zufällige Gedanke – er fühlte sich unloyal an. Sie schob ihn beiseite.
    „Dasselbe könnte man auch über unser Haus in Richmond sagen.“
    „Das ist ein interessanter Vergleich.“
    Er hatte nicht gelächelt, aber seine Worte hätten von einem Lächeln begleitet sein können. Nancy entdeckte eine Spur Humor in seinem letzten Satz. Es war ganz klar, dass für Billy die beiden Häuser nichts gemein hatten.
    Vielleicht war sie erschöpft von der ungewohnten körperlichen Anstrengung. Vielleicht hatte sie den Föhn einen Moment zu lange hochgehalten. Vielleicht störte es sie doch mehr, als sie glaubte, dass er sie heute Morgen nicht zur Begrüßung geküsst hatte. Jedenfalls war sie selbst von ihrennächsten Worten überrascht.
    „Da gibt es viele Gemeinsamkeiten“, sagte sie. „Die Leute, die sie gebaut haben, sind unsere Vorfahren. Deine und meine. Im Guten wie im Schlechten. Ehrlich gesagt, gefällt mir dieses Haus besser, denn es gibt nicht vor, mehr zu sein, als es ist.“
    Er sah sie leidlich interessiert an. „Und wie ist unseres?“ Billy und Nancy lebten in einem Haus im Georgianischen Stil, das in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Billys unglaublich wohlhabenden Großeltern gebaut und von den folgenden Generationen liebevoll erhalten worden war. Nancy war darauf immer sehr stolz gewesen.
    „Wie würdest du es nennen?“, fragte sie. „Einen Showpalast?“
    „Architektonisch gesehen ist es kein Pfusch. Das will ich nicht bestreiten. Aber es war protzig, als sie es gebaut hatten, und nun ist es monströs.“
    „Das schien dich bisher nie gestört zu haben.“
    Plötzlich hallte die gesamte Unterhaltung in ihrem Kopf wider. Sie fragte sich, was in sie gefahren war. Das Gebäude der Whitlocks war aus verschiedenen Stilen zusammengesetzt, die die ganze Nachbarschaft und ihre Windsor-Häuser widerspiegelten. Dort zu leben war ihr wie ein wahr gewordener Traum erschienen, hier leben zu müssen war ein Albtraum.
    Sie holte tief Luft. „Es tut mir leid. Ich kann nicht glauben, dass ich gerade das Haus kritisiert habe, in dem deine Familie seit drei Generationen lebt.“
    „Du schienst immer glücklich dort gewesen zu sein.“ War sie das? Ein weiterer Gedanke, der sie irritierte. Aber war sie dort glücklich gewesen? Und wenn nicht, wenn sie dort nicht glücklich gewesen sein sollte, warum hatte sie es bisher nicht bemerkt? War sie wirklich so oberflächlich, wiejeder von ihr dachte?
    „Natürlich bin ich glücklich gewesen“, sagte sie und fragte sich dabei im Stillen, ob das stimmte. „Ich glaube, ich bin ein wenig empfindlich, was das Haus und meine Familie angeht. Ich bin lange nicht mehr für mehr als ein paar Stunden hier gewesen.“
    Er stand auf und trug seine Tasse zur Spüle. „Du hast dich schon immer dafür entschuldigt, wer du bist und woher du kommst. Und du hast an diesem Haus kein einziges gutes Haar gelassen. Es überrascht mich, dass du es jetzt verteidigst.“
    „Billy, worüber redest du?“
    Er antwortete ihr nicht. Er sah aus, als habe er ihr antworten wollen, es sich aber anders überlegt.
    „Ich entschuldige mich nicht, und ich verteidige nichts und niemanden“, sagte sie, als er weiter schwieg. „Ich vergleiche nur die Häuser, in denen wir aufgewachsen sind.“
    „Aber das ist nicht das, was du sagen wolltest, oder? Du hast das eigentliche Thema nur gestreift.“
    „Was soll das heißen?“
    „Den Unterschied zwischen unseren Familien. Zwei kleine Fleckchen auf der Karte von Virginia, dazwischen liegen aber Welten. So unterschiedliche Lebensarten, dass es ein Wunder ist, dass wir einander überhaupt im Vorbeigehen angesehen haben.“
    Sie war perplex. Es war, als hätte sich Billy sofort auf die Dinge gestürzt, die sie unangebrachterweise erwähnt hatte. Oder zumindest, die sie für unangebracht hielt. Die Angst, die

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