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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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man die Bilder aufzieht. Es ist nichts Besonderes, aber es gibt den Kindern das Gefühl, dass sie etwas Wertvolles gemacht haben.“
    „Carytown? Seit wann machst du das?“, fragte Tessa.
    Nancy zögerte. „Schon länger.“
    „Drei Jahre?“
    Nancy nickte. „Ja, ungefähr.“
    Tessa schwieg.
    Für Helen war das Schweigen wie ein Gewicht, das alle drei mit sich in die Tiefe hinabzog. Sie suchte nach einem neuen Gesprächsthema, dabei lag es direkt vor ihr: Tessa hielt den Quilt in ihren Händen. „Was machst du damit?“
    „Ich werde ein Stück Stoff hier aus diesem Bogen herausnehmen.“ Tessa hielt Helen das betreffende Stück hin, damit sie es sich ansehen konnte. „Der ganze grüne Stoff ist so abgenutzt, dass kaum noch etwas davon übrig ist. Ich dachte, ich beginne damit. Ich soll alle Quilt-Stiche auftrennen, die diese Flicken zusammenhalten.“ Sie sah ihre Mutter an. „Vielleicht könntest du es später wieder zusammennähen.“
    „Das überlasse ich lieber dir.“ Nancy lehnte sich vor, um den Quilt näher anzuschauen. Die Schaukel, die zuvor leise geschwungen hatte, stoppte. „Erinnerst du dich noch daran, wer dir diesen grünen Stoff gegeben hat, oder was der Anlass war?“, fragte sie Helen.
    Ihre Mutter blinzelte. Das Grün war schon so verblichen und der Stoff so dünn, dass sie für einen Moment Schwierigkeiten hatte, sich zu erinnern. Doch dann fiel es ihr ein. „Derist von Tante Sally, Gott hab sie selig. Es waren Reste von einem Kleid, das sie für meine Cousine Minnie genäht hatte. Es war ein schönes, sanftes Grün mit winzigen Pünktchen.“ Sie schüttelte den Kopf.
    „Hört sich an, als würde ich vielleicht einen Ersatz dafür finden“, sagte Tessa.
    „Tessa, ich glaube, du solltest von jedem Stoff, den du aus dem Quilt heraustrennst, ein Stück aufbewahren“, gab Nancy zu bedenken. „Wir könnten ein kleines Tagebuch führen. Deine Großmutter erzählt uns, woher der Stoff stammte und wer ihn ihr aus welchem Anlass gegeben hat. Der Quilt erzählt dann eine fortlaufende Geschichte.“
    Helen war von dem Aufwand überrascht. „Das alles wegen eines alten Quilts?“
    Nancy fing an, der Schaukel wieder Schwung zu geben. „Das ist nicht irgendein Quilt. Du weißt doch, dass ich neugierig bin. Du hast uns viel darüber erzählt, wie es war, als du die Flicken für die Oberdecke zusammengenäht hast. Aber du hast nie davon gesprochen, warum du den Überwurf nicht zu Ende gequiltet hast.“
    „Tja, könnte hinkommen, dass ich es euch nie erzählt habe.“
    „Warum eigentlich nicht?“
    Helen probierte in ihrem Kopf verschiedene Antworten aus, aber keine gefiel ihr.
    „Ich konnte es einfach nicht, mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, erwiderte sie schließlich.
    „Hattest du die Decke nicht fertig genäht, als ihr geheiratet habt?“
    „Das ist so lange her“, sagte Helen. „Ihr fragt mich vielleicht Sachen, an die ich mich kaum noch erinnern kann.“
    Nancy drehte sich um, so dass sie ihrer Mutter in die Augen schauen konnte. Die Schaukel hielt wieder an. „Duhast mir nie von eurem Hochzeitstag erzählt. Warum sagst du uns nicht jetzt, wie es war? Der Reis muss sowieso noch länger kochen.“
    „Ich bin auch neugierig, Gram“, stimmte Tessa zu, bevor Helen die Bitte abschlagen konnte.
    Helen fragte sich, was trauriger war: die Tatsache, dass sie ihrer Tochter und Enkelin nie von ihrer Hochzeit berichtet hatte oder dass sie Angst davor hatte, diesen Tag noch einmal zu durchleben, wenn sie nun darüber sprach.
    Sie entschied sich für die knappste Version. „Ich habe euch ja erzählt, dass Fate und ich entschieden hatten, so lange mit der Hochzeit zu warten, bis er bei der Navy angeheuert und die Ausbildung dort absolviert hat. So konnte ich hier bei Mama bleiben und mich um sie kümmern, bis sie meine Hilfe nicht mehr bräuchte. Er wurde eingezogen, wie wir es besprochen hatten. Und während er die Kadettenausbildung drüben in dem Great-Lakes-Trainingslager in Ohio beendete, ist Mama sehr krank geworden.“
    Sie schwieg, in ihre Erinnerungen versunken.
    „Ist sie dann gestorben?“, fragte Nancy.
    „Nein, da noch nicht. Aber wir wussten, dass es nicht mehr lange dauern würde. Also habe ich Fate geschrieben und ihm gesagt, dass wir sofort heiraten müssten, sobald er freibekam, damit Mama dabei sein könnte. Ich wusste, wie viel ihr das bedeutete. Aber es hat sich dann herausgestellt, dass die Regierung entschied, dass er dableiben musste, obwohl er nach seiner

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