Sommer der Entscheidung
wurde es ihr wärmer. Die Sterne am Himmelszelt flackerten, und obwohl sie wegen dem, was sie wohl noch erwartete, ein wenig nervös war, freute sie sich, dass sie Fate nun ganz für sich allein hatte. Seitdem er angekommen war, waren sie immer beschäftigt oder von der Familie umringt gewesen. Es gab nur wenige Augenblicke, in denen sie allein sein konnten.
Sie hielten an der Tür, Fate setzte die beiden Taschen aufder schmalen Veranda ab und öffnete das simple Schloss. „Dein Vater hat mich daran erinnert, dass ich es nicht vergessen soll.“ Bevor sie antworten konnte, hob er Helen vom Boden, stieß die Tür mit einer Schulter auf und trug sie über die Schwelle.
„Lass mich runter“, quiekte sie. „Ich bin fast genauso groß wie du!“
„Aber nicht so stark“, neckte er Helen. Er setzte sie ab, und bevor sie noch etwas sagen konnte, küsste er sie. Sie hielt ihn fest und ging nur widerwillig ein Stückchen zurück, als sie merkte, wie kalt der Wind war, der durch die offene Tür hineinblies.
„Wenn das Feuer noch an war, dann ist es spätestens jetzt aus.“ Sie fröstelte noch einmal und rieb ihre Arme mit den Händen. Sie hatte sich geweigert, ihren alten, abgenutzten Mantel über ihrem neuen schönen Kleid zu tragen.
„Ich mach es gleich wieder an.“ Fate zog sie noch einmal zu sich heran und küsste sie auf die Stirn. Dann ging er zum Ofen.
Helen holte die Taschen herein und schloss die Tür. Sie musste sie von innen abschließen, damit sie nicht wieder aufsprang. Während sich Fate um das Feuer kümmerte, hatte sie Zeit, sich ein wenig umzusehen. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, von dem aus eine Treppe zum Dachboden führte, wo das Schlafzimmer sein musste. Wie in vielen alten Hütten waren der offene Kamin und der Schornstein in der Mitte des Raumes.
Das ganze Haus war winzig, aber Helen war sofort auf ihren Bruder und Dorothy neidisch. Sie hatten ihr eigenes Zuhause, wenn auch nur vorübergehend, und sie konnten zusammenleben. Obwohl die Bretter, aus denen es gebaut war, an einigen Stellen nicht perfekt abschlossen und es auch Spalten um die Fensterrahmen herum gab, die mit Zeitungspapiergestopft waren, hatte es Dorothy geschafft, den Raum tadellos sauber zu halten. Weder gab es Spinnweben im Gebälk, noch lag Staub auf dem Boden, der mit Flickenteppichen bedeckt war.
„Komm her und wärm dich auf“, sagte Fate.
Sie ging zu ihm an den Kamin und hielt die Hände über das Feuer, dessen Flammen größer zu werden begannen. Obed hatte ihnen extra einige Stücke Holz zerkleinert.
„Deine Familie ist etwas Besonderes“, sagte Fate. „Früher habe ich mir immer gewünscht, dass es auch meine Familie wäre.“
„Jetzt ist sie es“, bemerkte Helen und schob ihre Hand in seine.
„Die Claibornes waren schon in Ordnung. Es sind schwierige Zeiten. Sie haben mich bei sich aufgenommen, auch wenn sie es nicht gemusst hätten.“
Ja, sie hatten ihn aufgenommen, aber Helen wusste auch, wie hart Fate dafür hatte arbeiten müssen, damit es so geblieben war. Sie konnte es den Claibornes nicht verzeihen, dass sie Fate so anders behandelten als ihren eigenen Sohn.
„Du hast mir noch gar nichts von Ohio und der Ausbildung erzählt.“
„Vor uns liegt noch unser ganzes Leben, in dem ich dir etwas erzählen kann.“ Er drehte Helen zu sich um, und sie ließ es bereitwillig geschehen. „Ich erzähle dir alles, was du wissen willst. Später.“
Helen hatte erwartet, in diesem Moment schüchtern zu sein. Aber sie war es nicht. Sie fühlte sich schön, begehrenswert und glücklich. Als es in der Hütte – und auch in ihr selbst – wärmer wurde, und als er sie endlich die Treppe hinaufführte und sie auszog, hatte sie den Eindruck, als würde sie das Gefühl, glücklich zu sein, gerade erst entdecken.
Danach lagen sie in den Armen des anderen, verborgenunter einer dicken Lage alter Quilts, als hätten sie schon immer so geschlafen. Helen bewegte sich und setzte sich auf; nach einer Weile erhob sie sich dann.
„Wohin willst du?“, fragte Fate schläfrig.
„Nirgendwohin. Schlaf wieder ein.“
Helen tastete sich durch das Schlafzimmer zu ihrer Tasche und suchte nach etwas. Schließlich fand sie den Wedding-Ring-Quilt auf dem Boden der Tasche. Er war noch nicht ganz fertig, aber die Oberdecke hatte sie schon genäht. Sie ging zurück zum Bett und deckte Fate damit zu. Dann kroch sie wieder neben ihn und zog den Quilt über die Schultern. Es war ihr Hochzeits-Quilt. Vielleicht war
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