Sommer der Liebe
empfindet.«
Sian nickte und wandte sich ab. Langsam ging sie ein Stück tiefer in den Garten hinein. Sie brauchte einen Moment für sich, sie musste darüber nachdenken, was sie jetzt unternehmen sollte. Dann blieb sie stehen, weil sie es plötzlich wusste. Schnell lief sie zurück zu Fiona.
»Ich muss gehen. Ich muss nach London! Ich muss bei ihm sein und ihm zeigen, wie wichtig er mir ist – und ihm helfen, das Buch zu verkaufen.«
»Wie willst du das anstellen?« Obwohl sie sich offensichtlich freute, dass Sian endlich Vernunft annahm, war Fiona wie immer pragmatisch.
Zum tausendsten Mal an diesem Tag sah Sian auf die Uhr. »Ich könnte Rory ins Auto setzen und mit ihm zu meinen Eltern fahren. Wenn wir sofort aufbrechen, dann sind wir da, bevor er ins Bett muss.«
»Aber Rory hat doch morgen Schule.«
»Ja … und ich habe vergessen, dass er mit Annabelle verabredet ist, doch das spielt keine Rolle.«
»Warum fragen wir ihn nicht, ob er bei mir bleiben möchte? Dann könntest du mit dem Zug nach London fahren.«
»Ginge das? Hast du Zeit?«
Fiona nickte strahlend.
Rory war begeistert über die Aussicht, bei Fiona zu übernachten, denn er wusste, dass sie mehrere Zeichentrickfilme auf DVD besaß, die er noch nicht kannte.
»Geh nach Hause, Sian, und pack deine Sachen«, sagte Fiona, »dann bringen Rory und ich dich zum Bahnhof und holen uns auf dem Rückweg Fish and Chips«, flüsterte sie dem Jungen zu.
»Fish and Chips!«, jubelte er, und Sian lachte. Plötzlich fiel ihr etwas ein.
»Was soll ich denn nur anziehen? Was trägt man zu einem Treffen mit Leuten vom Verlag?«
»Liebes, ich habe keine Ahnung! Du musst nur hübsch aussehen – und das gelingt dir immer. Ganz egal, was du trägst, es wird in Ordnung sein!«
Sian wollte nach dem Packen gerade aus dem Haus laufen, als ihr Blick auf den Umschlag fiel, den Gus ihr damals dagelassen hatte. Bisher hatte sie noch nicht reingesehen. Ihr blieb auch jetzt keine Zeit dafür, aber sie steckte ihn schnell in ihre Tasche, bevor sie das Haus verließ.
Erst als Sian im Zug nach London saß, wurde ihr klar, dass sie nicht wusste, bei welchem Verlag Gus den Termin hatte. Sie rief Fiona von unterwegs aus an. Leider konnte ihre Freundin ihr zwar den Namen des Verlages nennen, aber nicht die Uhrzeit des Treffens.
»Ich weiß, dass es irgendwann am Morgen ist«, sagte Fiona hilflos. »Und nicht allzu früh. Ich denke, gegen zehn wahrscheinlich.«
»Hm, ich habe ja noch den ganzen Abend Zeit, mir zu überlegen, wie ich es herausfinden kann. Vielen Dank, dass du auf Rory aufpasst.«
Fiona lachte. »Gern geschehen. Aber es geht ja auch um das Glück meines Sohnes.«
Ihre Eltern waren zwar ein bisschen überrascht, als Sian anrief, freuten sich jedoch darüber, dass sie die Nacht bei ihnen verbringen wollte.
Nachdem sie aufgelegt hatte, lehnte Sian sich seufzend in ihrem Sitz zurück. Dann wühlte sie in ihrer Tasche nach ihrem kleinen Skizzenbuch, das sie anstelle des sperrigen A3-Portfolios eingesteckt hatte. Nachdenklich blätterte sie es durch und wurde immer mutloser. Da waren Zeichnungen von Blumen, Elfen, Drachen, Seepferdchen und Schwertlilien, aber soweit sie sehen konnte, gab es nichts, das bewies, dass sie die Richtige war, um ein Buch zum Thema Überlebenstraining zu illustrieren. Gus und sie hatten so viel Zeit auf dieses dumme Missverständnis verschwendet! Wenn sie sich nicht so schlimm gestritten hätten, dann hätte sie einen Teil seines Buches lesen und schon mal ein paar Zeichnungen anfertigen können.
Nein, das Skizzenbuch würde Gus nicht weiterhelfen. Tatsächlich würde es ihn nur behindern. Die Leute vom Verlag würden sie – und deshalb auch ihn – nicht ernst nehmen.
Ihre Kleidung spielte vielleicht keine Rolle, aber ihre Arbeit schon. Sobald sie bei ihren Eltern war, würde sie mit einigen Zeichnungen beginnen. Wenn es sein musste, würde sie die ganze Nacht zeichnen. Gus’ Karriere – sein Buch, sein Waldschulen-Projekt, alles – stand auf dem Spiel.
Dann fiel Sian der Umschlag wieder ein, und sie nahm ihn aus der Tasche. Darin befanden sich ungefähr fünfzig getippte Seiten – der erste Teil seines Buches! Sie lächelte, als sie erkannte, dass das Buch wirklich lustig war. Gus konnte schreiben, das konnte er wirklich! Sie musste kein Profi sein, um das zu erkennen. Das Buch riss sie mit, es faszinierte und amüsierte sie, und sie fühlte sich gut unterhalten. Gus’ Persönlichkeit fand sich auf jeder Seite wieder, in
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