Sommer der Liebe
Punkt gern geirrt, aber so war es nicht. Sie konnte Körpersprache deuten. »Wenn die beiden kein Paar sind, warum sind sie dann schick angezogen zusammen in die Bar gegangen und haben sich lächelnd in die Augen gesehen?« Als sie spürte, dass Fiona immer noch nicht überzeugt war, fügte sie hinzu: »Und warum hat Gus sich nicht bei mir gemeldet …« Sie konnte nicht sagen: »… nachdem wir diesen großartigen Sex hatten.« Fiona war schließlich Gus’ Mutter. Das wären zu viele intime Informationen gewesen.
Fiona schwieg nachdenklich; sie trank von ihrem Tee. Sian beobachtete ihre Freundin besorgt. »Was ist?«, fragte Sian schließlich und machte sich auf eine bittere Enttäuschung gefasst.
»Ich denke, dass ich ein Versprechen brechen muss. Wahrscheinlich mehr als eins.« Fiona nahm noch einen Schluck Tee. Die Entscheidung fiel ihr offensichtlich schwer. »Wann musst du Rory abholen?«
Sian sah auf die Uhr. »In einer halben Stunde.«
»Dann müssen wir uns beeilen. Komm mit.«
Verwirrt folgte Sian ihrer Freundin die Treppe hinauf in den ersten Stock und dann hinauf auf den Dachboden. Auf dem Treppenabsatz öffnete Fiona die Tür. »Geh du zuerst rein.«
Der Geruch nach frischer Farbe und gesägten Brettern drang Sian in die Nase. Die Räume waren nicht wiederzuerkennen. Eine alte Dachluke war wieder freigelegt und erfüllte den Raum mit Licht. Ein weiteres Fenster, das Sian vorher nie bemerkt hatte, ließ den Raum auch von der anderen Seite hell erscheinen. Sie ging darauf zu und sah hinaus auf die Baumkronen, die Hügel und die Felder dahinter. Der Ausblick war überwältigend. Aber warum hatte Fiona sie hergebracht?
»Das hier ist natürlich das Wohnzimmer«, erklärte Fiona, »und zu den Schlafzimmern geht es dort entlang. Das hier ist das erste.«
Sian folgte ihr in ein kleines Zimmer mit einem Doppelbett, einer alten Frisierkommode, die Sian wiedererkannte, und einer Kommode mit Schubladen. Dieser Raum, der vorher mit Möbeln vollgestellt gewesen war, wirkte ebenfalls hell und luftig. Das Fenster war kleiner, und als Sian hinausblickte, sah sie den gegenüberliegenden Giebel. Ein neues Veluxfenster befand sich in der Dachschräge.
»Ich hoffe, dass niemand jemals dieses Fenster bemerkt – es ist nicht vom Bauamt genehmigt worden«, erklärte Fiona, »aber man kann es komplett öffnen und von dort aus die Feuerleiter erreichen, also ist es aus architektonischer Sicht sicher und sinnvoll.«
Sian hörte ihr kaum zu. Sie trat in das kleine Zimmer nebenan, in dem ein Einzelbett stand und das mit den Einbaumöbeln wie eine Schiffskabine gestaltet war. Es hatte sogar ein rundes Fenster.
»Das hier ist natürlich das perfekte Zimmer für einen kleinen Jungen«, fuhr Fiona fort, »und das Badezimmer – wenn du noch Zeit hast, es dir anzusehen – ist hier drüben.«
Sian blickte auf die Uhr. »Ich muss Rory abholen …«
»Schau es dir einfach schnell an.«
Sian warf einen Blick in das kleine Bad, in dem sich eine Eckbadewanne befand. Wachbecken und Toilette nahmen den Rest des Platzes ein.
»Und eine kleine Einbauküche«, sagte Fiona und öffnete eine weitere Tür, hinter der eine Spüle, ein Herd und Schränke zum Vorschein kamen. »Sie ist winzig, aber man ist unabhängig.«
»Das ist wunderschön«, sagte Sian, die immer noch nicht sicher war, warum Fiona ihr die Räume zeigte. »Willst du die Wohnung vermieten?«
»Nein, du Dummerchen! Sie ist für dich!«
Sian sah Fiona verwirrt an, doch sie hatte keine Zeit mehr, sie zu fragen, wovon sie da um Himmels willen sprach. Rory hatte gleich Schulschluss. »Ich muss los, sonst komme ich zu spät.« Sian ging zur Treppe.
»Ich komme mit«, erklärte Fiona und lief ihr nach, »dann kann ich dir alles erklären.«
Sie beeilten sich so, dass sie am Ende zu früh an der Schule ankamen und noch ein paar Minuten im Auto warten mussten.
»Angus hat die Räume für dich umgestaltet«, sagte Fiona. »Deshalb hatte er so wenig Zeit. Er hat so hart gearbeitet, damit die Wohnung rechtzeitig fertig ist. Er wollte nicht, dass du von hier wegziehen musst.«
Sian schaute Fiona fassungslos an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, murmelte sie verwirrt. Warum hatte Gus ihr nicht einfach davon erzählt? Und warum baute er für sie im Haus seiner Mutter eine Wohnung um, jetzt, da er mit Melissa zusammen war? Dann wurde ihr klar: Er hatte dabei an Rory gedacht. Er wollte nicht, dass sein Sohn auf der Straße stand. »Das ist nett von ihm«, fuhr sie
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