Sommer der Liebe
die Reste vom Frühstück noch auf dem Tisch standen oder schon in das Spülbecken in der Küche gewandert waren. »Ich bin übrigens Sian. Kommen Sie doch rein!«
Die topmodisch gekleidete Frau zögerte nicht und ging direkt in Sians Wohnzimmer. »Mein Gott! Hier drin ist es aber dunkel, oder? Und es riecht furchtbar muffig! Ich wollte mir das Haus schon immer mal von innen ansehen. Mir war nicht klar, dass es in einem so schlechten Zustand ist.«
Sian, die diesen Raum trotz seiner Dunkelheit liebte, ärgerte sich. Seltsamerweise war es für sie in Ordnung, wenn Fiona das Haus feucht nannte, aber nicht, wenn Melissa Doppelname eine abwertende Bemerkung darüber machte. »Wir fühlen uns hier sehr wohl«, sagte sie abwehrend.
»Im Sommer! Doch wie wird das Haus im Winter sein? Bestimmt ein Kühlschrank. Ich schätze, Luella Halpers war einfach zu geizig, um etwas an dem Gebäude erneuern zu lassen. Sie hätte es für ein Vermögen verkaufen können.«
»Dann bin ich froh, dass sie es gelassen hat«, erklärte Sian. Da ihr klar wurde, dass ihre Besucherin es nicht eilig hatte, wieder zu gehen, beschloss sie, die höfliche Gastgeberin zu spielen. »Möchten Sie etwas trinken? Ein Glas Wasser? Saft? Es ist furchtbar warm. Ich finde es sehr angenehm, dass es hier drin so kühl ist.«
»Ich nehme Mineralwasser, wenn Sie welches haben.« Melissa folgte ihr in die Küche. »Dieser Raum hier könnte richtig schön sein, wenn man die Wand da rausnimmt und ihn offen gestaltet. Solche Häuser lassen sich gut verkaufen – wenn sie so nah bei London liegen.«
»Das Haus steht nicht zum Verkauf.« Sian stellte ein Glas Wasser auf den Tisch und goss Rory dann Saft in einen Becher, bevor sie sich selbst Leitungswasser in ein Glas füllte. »Setzen Sie sich doch!«
»Wie heißt du, Kleiner?«, fragte Melissa, und ihr aufgesetztes Lächeln verriet, dass sie Kinder nicht wirklich mochte.
»Rory«, erklärte er knapp.
»Nun, Rory, warum gehst du nicht ein bisschen in den Garten spielen? Ich möchte mich mit deiner Mutter über ein paar langweilige Sachen unterhalten.« Sie sah Sian an. »Wenn sie einverstanden ist.«
Sian wollte instinktiv widersprechen, aber vielleicht war es besser, Rory vor dieser etwas beängstigenden Frau zu bewahren. »Möchtest du etwas essen, Schatz? Du könntest es mit rausnehmen.«
»Babybel bitte«, sagte Rory und blickte ihre Besucherin zweifelnd an. Er wurde offenbar auch nicht mit Melissa warm. Er ist schon ein richtiger kleiner Menschenkenner, dachte Sian und rief sich dann selbst zur Ordnung. Sie sollte Melissa eine Chance geben.
Sian holte zwei der kleinen runden Käse und gab sie ihm. »Und möchtest du auch den Saft mit in den Garten nehmen? Dann gebe ich dir einen Strohhalm mit.«
»Nein. Ich habe schon was bei Emily getrunken.« Er nahm sich den Babybel und rannte in den Garten. Seine Müdigkeit schien verflogen zu sein.
»Man kann sich viel besser unterhalten, wenn keine kleinen Ohren einen belauschen.« Melissa setzte sich und zwinkerte ihr zu.
»Haben Sie Kinder?«, fragte Sian, die ihren Durst gestillt hatte, aber deren Laune noch nicht gestiegen war.
»Guter Gott, nein! Ich will damit natürlich nicht sagen, dass ich keine haben möchte, jedoch nicht jetzt. Und nicht ohne Unterstützung. Ich möchte mein Leben genießen, solange ich noch jung und schön bin.« Sie lachte, als hätte sie das ironisch gemeint, aber es wirkte nicht überzeugend.
Es stimmt ja auch, dachte Sian und setzte sich ebenfalls. Melissa war jung und schön. Obwohl Sian sicher war, dass sie ungefähr gleich alt sein mussten, wirkte Melissa besonders jugendlich. Vielleicht lag es daran, dass sie offenbar nicht viel Verantwortung zu tragen hatte.
»Und, was hat Sie in diese Gegend verschlagen?«, erkundigte sich Melissa und riss sie aus ihren Gedanken.
Sian hatte Fiona bereits die meisten Gründe für ihren Umzug hierher erklärt und wollte sie nicht noch einmal wiederholen – nicht vor dieser Besucherin jedenfalls. Etwas warnte sie, bei Melissa besser vorsichtig zu sein. Sie beschloss, bei dem zu bleiben, was allgemein bekannt war. »Na ja, es ist eine wunderschöne Gegend, und der Ort ist nicht weit von London entfernt.« Sie fügte nicht hinzu, dass sie für dieses Haus nur wenig Miete bezahlen musste.
»Und warum wollen Sie nahe London wohnen? Arbeiten Sie dort?«
Sian trank von ihrem Wasser und bereitete sich auf das Kreuzverhör vor, das mit Sicherheit jetzt folgen würde. Sie wünschte sich zwar,
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