Sommer der Liebe
beschloss, dass nur ein kompletter Themenwechsel sie retten konnte. »Müsstest du nicht an deinem Buch arbeiten?«
Das schiefe Grinsen, das sie schon damals in Richards Küche nicht hatte übersehen können, übte jetzt wieder die gleiche verheerende Wirkung auf sie aus. »Ich bin gerade erst zurückgekommen und brauche ein bisschen Zeit, bevor ich mit dem Schreiben anfange.«
»Dann willst du dein Buch gar nicht beenden?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich muss irgendwie meinen Lebensunterhalt verdienen, aber reichen die Tantiemen für ein Buch dafür? Ich bin nicht sicher. Um ehrlich zu sein, bin ich ein bisschen nervös. Mein Agent sagt, er kann das Buch für mich verkaufen, wenn ich es richtig anfange. Ich habe jede Menge Fotos. Vielleicht könnte es ein Bildband werden.«
Gus’ Unsicherheit überraschte Sian. Er wirkte normalerweise so sicher und selbstbewusst. Trotz ihrer Nervosität am Abend der Dinnerparty hatte Sian es genossen, seinen Geschichten zu lauschen. Sie konnte einfach nicht anders – die Künstlerin in ihr liebte Fotos. »Ich würde sie mir gern ansehen«, sagte sie, bevor ihr wieder einfiel, dass sie Gus eigentlich möglichst aus dem Weg gehen wollte.
»Wirklich? Dann komme ich mal mit meinem Laptop vorbei und zeige sie dir. Oder du könntest bei uns vorbeischauen. Mum versucht, in der Scheune ein bisschen Platz zu schaffen. Sie hat mir erzählt, dass du darin Möbel bemalen möchtest. Ich habe eine riesige Ausrüstung, die ich auch irgendwo unterbringen muss. Ich dachte an den Dachboden.« Er zögerte. »Meine Mutter scheint eine ganze Menge Zeug angesammelt zu haben.«
»Ich glaube, es liegt daran, dass die Leute ihre Sachen bei Fiona gelagert haben, weil sie so viel Platz hat.«
»Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein? Wirfst du mir vor, meinen alten Kram bei ihr abzuladen? Hey! Sie ist schließlich meine Mutter. Das ist mein Zuhause. Wo soll ich meine Sachen denn sonst lassen?«
Sian kicherte. »Na, zu Hause natürlich. Aber sie braucht definitiv Hilfe beim Aussortieren. Wir haben in der Scheune schon damit angefangen, doch ich wette, dass der Dachboden und alle Räume im oberen Stock auch bis zur Decke vollgestopft sind.«
»Du bist gut mit meiner Mutter befreundet, oder? Sie hat es mir erzählt.«
»Na ja, ich mag sie sehr, und sie war wunderbar zu uns.«
»Ohne dass sie wusste, dass wir beide uns kennen.« Gus sah Sian mit einem schlecht zu deutenden Gesichtsausdruck an. »Obwohl wir ja nicht viel Zeit hatten, uns kennenzulernen, nicht wahr?«
»Nein.«
»Aber dafür haben wir uns ganz gut kennengelernt.«
Sian errötete erneut. Es war falsch von ihm, ständig auf ihre gemeinsame Nacht anzuspielen. Doch er schien entschlossen zu sein, sie wieder und wieder zu thematisieren.
»Na ja, es war eine sehr intensive Zeit«, erklärte sie, um die gemeinsamen Stunden in der Vergangenheit zu verankern und ihm deutlich zu machen, dass sie mit der Gegenwart nichts mehr zu tun hatten. Er durfte nicht wissen, wie oft sie diese Stunden schon in ihrer Erinnerung hatte aufleben lassen, obwohl ihr Verstand es ihr verbot.
»Ich musste ständig an dich denken«, sagte er. »Ich wünschte wirklich, wir wären damals nicht so vernünftig gewesen. Wir hätten nicht beschließen sollen, unsere Adressen nicht auszutauschen, nur weil ich wegfahren wollte.«
»Es kam uns damals richtig vor.«
»Ich weiß, aber später fühlte es sich völlig falsch an.«
Ihr fiel keine passende Antwort ein. Seine Adresse nicht zu kennen, hatte es auf gewisse Weise leichter für sie gemacht. So hatte sie ihm nicht von Rory erzählen können, oder zumindest wäre es nicht einfach gewesen, Gus ausfindig zu machen. Damals hatte ihre Mutter das als Ausrede entlarvt:
»Du kennst schließlich seinen Namen und könntest durchaus mit ihm in Kontakt treten«, hatte sie gesagt. »Wofür gibt es das Internet?« Doch letztendlich hatte ihre Mum akzeptiert, dass Sian den Vater ihres Babys nicht finden wollte, und das Thema nicht mehr angesprochen.
Sie hatte ihrer Mutter bisher noch nichts davon erzählt, dass Gus wieder in ihr Leben zurückgekehrt war. Zwar hatte sie erwähnt, dass Fionas Sohn auf der Dinnerparty erschienen war, hatte aber verschwiegen, wer er war. Warum hatte sie ausgerechnet in sein Dorf ziehen müssen? Und warum war er nach Hause gekommen?
Sie zuckte mit den Schultern. »Späte Einsicht, ja?«
»Hast du jemals an mich gedacht?«
Sian war noch nie so dankbar für ein Klopfen an der Tür gewesen
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