Sommer der Liebe
das okay ist.«
Sian schenkte ihm Mineralwasser ein und stellte den Kessel an. Dabei suchte sie fieberhaft nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. Es standen noch einige von Rorys Loks auf dem Tisch, und sie sammelte sie zusammen.
»Dann spielt dein Sohn gern mit Eisenbahnen? Wir haben noch welche im Haus.«
»Wir kennen sie schon. Rory spielt oft damit, besonders mit der großen Holzeisenbahn. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.« Sie goss kochendes Wasser in die Becher.
Gus lachte. »Glaubst du im Ernst, es stört mich, wenn ein Kind mit meinen alten Spielsachen spielt?«
Sian stimmte in sein Lachen ein und entspannte sich etwas, während sie Milch aus dem Kühlschrank holte und sich gut zuredete: Ich kann das. Ich kann mich einfach ganz zwanglos mit ihm unterhalten, ohne dass ich gleich panisch werde. »Weißt du, Männer können manchmal sehr egoistisch sein, wenn es um ihre Spielsachen geht.«
»Ich bin egoistisch, was bestimmte Dinge angeht, aber nicht bei Spielsachen, die ich schon vor Jahren ausrangiert habe.« Er wurde plötzlich sehr ernst. »Ich hoffe, du denkst nicht, ich hätte dich ausrangiert. Das hätte ich niemals getan.«
»Nein. Oh, nein, ich wusste ja, dass du wegfährst. Ich kannte die Situation. Hör zu, würde es dir etwas ausmachen, wenn wir ins Wohnzimmer gehen? Die Küche ist nicht der schönste Raum des Hauses. Im Wohnzimmer ist es gemütlich und sonnig.«
»Man sollte eigentlich die Wand zum Esszimmer rausnehmen«, meinte Gus und folgte Sian.
»Ich weiß, aber das Haus gehört mir nicht. Setz dich dorthin!« Sie deutete auf einen großen Sessel und stellte einen der Teebecher auf einen Tisch neben Gus. Sie wollte nicht so nah bei ihm sitzen. Er war viel zu groß und beunruhigend. Deshalb nahm sie auf dem Sofa ihm gegenüber Platz und zog sich in einer unbewussten Geste der Abwehr den Rock über die Knie. Irgendwie wusste sie, dass Gus nicht aufgeben würde. Er wollte offensichtlich über jene Nacht reden. Sie würde erwachsen reagieren und ihm klarmachen müssen, dass die Vergangenheit vergangen war, dass sie das hinter sich gelassen hatte. Er konnte nicht erwarten, dass sie so tat, als gäbe es die fast sechs Jahre nicht, die zwischen ihrem ersten Treffen und dem heutigen Tag lagen.
»Sian, ich brenne vor Neugier – was hast du erlebt, seit ich weggegangen bin? Es war eine lange Zeit.«
»Ja, nicht wahr? Na ja, lass mich nachdenken.« Das alles schien wirklich schon eine Ewigkeit her zu sein. »Habe ich damals nicht in einer Bar gearbeitet, während ich nach einem Job suchte, der etwas mit meinem Abschluss zu tun hatte?«
Er nickte. »Das stimmt. Ich weiß noch, dass du mir von einem Mann erzählt hast, der immer dort herumlungerte, und dass du erst viel später gemerkt hast, dass er dich toll fand.«
»Das hatte ich schon völlig vergessen.«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis.« Sein Blick sagte ihr, an was genau er sich noch erinnerte. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln.
»Aber dann habe ich ja ein Kind bekommen«, sagte sie und legte bei der Erinnerung daran die Hand auf ihren Bauch.
»Oh, ja.« Sein Blick änderte sich leicht, doch das Lächeln blieb.
»Ja, das hat recht viel Zeit in Anspruch genommen«, sagte sie fröhlich und lächelte dann ebenfalls, um anzudeuten, dass sie mit der Situation glücklich war.
»Aber du hast nicht geheiratet?« Er runzelte leicht die Stirn, als verwunderte ihn das.
»Nein. Es war eine eher kurze Beziehung.«
»Tut mir leid.« Er beugte sich vor, als wollte er in einer Geste des Mitgefühls ihre Hand nehmen, doch Sian lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und wich ihm aus. Er zwinkerte ihr liebevoll zu. »Dann kann ich davon ausgehen, dass er dir nicht das Herz gebrochen hat?«
»Oh, natürlich hat er das nicht«, log sie und hielt tapfer an ihrem Lächeln fest. »Nichts dergleichen. Ich war sehr überrascht, als ich feststellte, schwanger zu sein, aber nach dem ersten Schock habe ich mich sehr gefreut.«
»Ich habe an dich gedacht, weißt du. Oft. Während ich in Schneeschuhen durch die Eiswüste stapfte.«
»Wirklich? Wie komisch! Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand in einer so rauen Gegend an mich denkt.«
»Du hast das Gefühl, dass ich nur an dich denken sollte, wenn ich sicher in England bin?«
»Ja, so in etwa. Vielleicht während du Tee trinkst oder mit irgendetwas ähnlich Häuslichem beschäftigt bist.«
Er lachte. »Mir ist noch nie in den Sinn gekommen, dass man an Leute nur an bestimmten Orten
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