Sommer der Nacht
ihr.«
»Du bist zu jung...«, begann Dale schroff.
Mike berührte Dale am Arm und wandte sich an Lawrence. »Wenn du eine brauchst, kannst du die Flinte von Dale mitbenutzen. Hast du schon mal damit geschossen?«
»Klar, schon oft... na ja, ein paarmal.«
»Gut«, sagte Mike. »Vorerst brauchen wir jemand, der echt schnell radfahren kann, damit er Roon findet und Bericht erstattet.«
Lawrence nickte; er merkte eindeutig, daß er abgeschoben wurde, war sich aber darüber im klaren, daß er nicht besser davonkommen würde.
»Ich rede mit Mrs. Moon«, sagte Mike. »Ich kenne sie ziemlich gut, weil ich schon ihren Rasen gemäht habe, mit ihr spazierengegangen bin und so weiter. Ich will rauskriegen, ob sie Informationen besitzt, die sie Duane nicht preisgegeben hat.«
Sie saßen noch ein paar Augenblicke beisammen und wußten, das Treffen war vorbei, aber keiner wollte allein im Dunkeln nach Hause gehen.
»Was machst du, wenn dieser Soldat heute nacht kommt?« fragte Harlen Mike.
»Ich suche die Eichhornflinte«, flüsterte Mike, »aber vorher versuche ich es mit dem Weihwasser.« Er schnippte mit den Fingern, als wäre ihm gerade noch etwas eingefallen. »Ich werde noch mehr für euch besorgen. Bringt Flaschen mit, damit ihr es transportieren könnt.«
Kevin verschränkte die Arme. »Wie kommt es, daß nur dein katholisches Weihwasser wirkt? Müßten meine lu-theranischen Sachen nicht auch wirken, oder Dales pres-byterianischer Plunder?«
»Nenn meine presbyterianischen Sachen nicht Plunder!« fauchte Dale.
Mike sah sie neugierig an. »Habt ihr Jungs denn Weihwasser in euren Kirchen?«
Die drei Jungs schüttelten den Kopf. »Außer euch Katholiken hat niemand so abgefahrene Sachen, du Pißkopf.«
Mike zuckte die Achseln. »Bei dem Soldaten hat es funktioniert. Zumindest das Weihwasser... die heilige Hostie habe ich noch nicht ausprobiert. Habt ihr Jungs denn kein Abendmahl?«
»Doch«, antworteten Dale und Kevin.
»Wir könnten was vom Kommunionsbrot holen«, sagte Dale zu Lawrence.
»Wie?« fragte sein kleinerer Bruder.
Dale dachte einen Moment lang nach. »Du hast recht, es ist einfacher, die Flinte zu stehlen, als an das Abendmahlszeug ranzukommen.« Er deutete auf Mike. »Okay, da wir wissen, daß das Zeug funktioniert, kannst du uns von deinem Weihwasser mitbringen.«
»Wir könnten Wasserballons damit füllen«, sagte Harlen. »Die Wichser bombardieren. So daß sie zischen und zusammenschrumpeln wie Schnecken, wenn man Salz drauf schüttet.«
Die anderen wußten nicht, ob Harlen sie auf den Arm nehmen wollte. Sie beschlossen, es sich zu überlegen und bis morgen darüber nachzudenken.
Mike erledigte seine Zeitungsroute in Rekordzeit und war um sieben in der Pfarrei. Mrs. McCafferty war schon da. »Er schläft«, flüsterte sie unten in der Diele. »Doktor Powell hat ihm etwas gegeben.«
Mike war verwirrt. »Wer ist Dr. Powell?«
Die bestürzte Haushälterin rang weiterhin die Hände an der Schürze. »Ein Arzt aus Peoria, den Dr. Staffney gestern abend geholt hat.«
»Ist es so ernst?« flüsterte Mike, aber ein Teil von ihm erinnerte sich deutlich: Die braunen Maden fielen vom rüsselför-migen Schlund des Soldaten, die Maden wanden sich, gruben sich ein.
Mrs. McCafferty legte eine ihrer roten Hände vor den Mund, als wollte sie gleich zu weinen anfangen. »Sie wissen nicht, was es ist. Ich habe gehört, wie Dr. Powell zu Dr. Staffney gesagt hat, sie würden ihn heute ins St. Francis-Krankenhaus verlegen, wenn das Fieber nicht sinkt ...«
»St. Francis«, flüsterte Mike und sah die Treppe hinauf. »Nach Peoria?«
»Dort haben sie eiserne Lungen«, flüsterte die alte Dame und schien dann nicht mehr weitersprechen zu können. Wie zu sich selbst sagte sie: »Ich war die ganze Nacht wach, habe den Rosenkranz gebetet und die Heilige Jungfrau angefleht, sie möge dem jungen Mann helfen...«
»Kann ich ihn nur mal sehen?« beharrte Mike.
»O nein, sie haben Angst, es könnte ansteckend sein. Niemand darf zu ihm, außer mir und den Ärzten.«
»Ich war bei ihm, als er krank geworden ist«, sagte Mike, ohne sie darauf hinzuweisen, daß sie ihn ohnehin schon angesteckt hätte, wenn sie infiziert wäre. Er glaubte nicht, daß die Maden auf eine andere Person übergehen würden ... aber der Gedanke erfüllte ihn einen Moment mit Unbehagen. »Bitte«, bat er und legte seinen engelhaftesten Meßknabenblick auf, »ich gehe nicht ins Zimmer, ich will nur reinsehen.«
Sie gab nach. Sie gingen
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