Sommer der Sehnsucht
Jesse verließ Kevins Laden, ohne sich noch einmal umzudrehen. Bella war verwirrter denn je.
5. KAPITEL
Jesse wartete vor dem Gebäude von King Beach auf Bella. Es war verrückt, aber aus irgendeinem Grund kam er sich wie ein aufgeregter Teenager vor der ersten Verabredung vor. Dabei hatte er ja bereits mit Bella geschlafen. Es war also nicht das erste Mal, dass er mit ihr allein sein würde.
Das Licht der späten Nachmittagssonne fiel auf die Wege, der Verkehr auf der Main Street war ruhig. Doch die Gehwege waren auf beiden Seiten voller Menschen, die neugierig in die Shops der modernisierten Einkaufsstraße strömten. Jeder hier in Morgan Beach war zufrieden mit dem Ergebnis seinen Sanierungsmaßnahmen. Jeder, bis auf diese eine Frau, die sich ständig in seine Gedanken stahl.
Meinte das Schicksal es plötzlich schlecht mit ihm? Sein ganzes Leben lang waren ihm die Frauen förmlich in die Arme geflogen. Aber plötzlich war da Bella. Eine Frau, die ihn drei Jahre lang in seinen Träumen verfolgt hatte, aber jetzt, da er sie endlich gefunden hatte, nichts mit ihm zu tun haben wollte. Außerdem missfiel Jesse, dass sie sich so gut mit diesem Kevin verstand. Liebte sie ihn?
Allein bei dem Gedanken daran wurde er ärgerlich, obwohl ihm gleichgültig sein konnte, wen Bella liebte. Natürlich könnte er damit leben, sollte sie etwas für einen anderen empfinden. Er wollte einfach nur, dass Bella Cruz und Jesse King sich nicht mehr aus den Augen verloren. Nie wieder.
„Du siehst ja ganz schön mies gelaunt aus.“
Er verscheuchte seine Gedanken und sah in Bellas schokoladenbraune Augen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie auf ihn zugegangen war. Dabei hätte er sie allein an ihrem Duft erkennen müssen. Diese betörende Mischung aus Blumen und Gewürzen erinnerte ihn irgendwie an laue Sommernächte. Na ja, an eine spezielle Nacht natürlich ganz besonders. „Entschuldige“, sagte er und lächelte. „Ich war in Gedanken.“
„Scheinen keine schönen Gedanken gewesen zu sein.“
„Du würdest dich wundern“, entgegnete er, hakte sich bei ihr ein und drehte sich zur Eingangstür von King Beach um. Als er einen Schritt nach vorne ging, blieb Bella stehen. „Was ist?“
Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippe, bevor sie antwortete. „Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, feindliches Gebiet zu betreten.“
„Angst, aus dem Hinterhalt überfallen zu werden?“
Nachdem Bella sich eine dichte Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen hatte, sah sie ihn an. „Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet.“
„Na, dann“, erwiderte er und genoss es, dass sei ein bisschen nervös war. „Zögern wir nicht länger und stillen deine Neugier!“
Er führte sie ins Innere des Gebäudes. Im Eingangsbereich befand sich eine Rezeption, hinter der eine Frau damit beschäftigt war, Anrufe entgegenzunehmen. Lächelnd ging Jesse hinter Bella an der Frau vorbei zum Fahrstuhl und drückte den Knopf.
Er blieb dicht bei Bella, die wirkte, als würde sie zum Scheiterhaufen geführt werden. Wenn sie wenigstens lächeln würde, dachte Jesse und wunderte sich darüber, dass diese schon fast gruselig gekleidete Frau ihn so berührte.
Nachdem er in den letzten paar Tagen intensiv nachgedacht hatte, waren allmählich mehr Erinnerungsfetzen in sein Bewusstsein gedrungen. Jetzt, da er wusste, wer seine geheimnisvolle Unbekannte war, hatte er die gemeinsam verbrachte Nacht langsam klarer vor Augen. Er konnte sich wieder daran erinnern, wie ihr Gesicht im Mondschein ausgesehen hatte, und wusste, wie ihre Stimme und ihr leises Seufzen geklungen hatten. Vor allem aber hatte sie sich vor drei Jahren noch nicht wie ein ungarisches Bauernmädchen aus dem letzten Jahrhundert angezogen. Wie war es nur gekommen, dass sie in diesen unförmigen Kleidern herumlief?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden, entschied Jesse. Den Direkten. „Warum trägst du eigentlich diese formlose Kleidung?“
„Wie bitte?“ Sie drehte sich zu ihm.
Er deutete auf ihre flatterige grüne Bluse und den bodenlangen gelben Rock. Dabei überlegte er, ob er nicht lieber den Mund gehalten hätte. Schließlich wollte er sie verführen und für sich gewinnen, nicht verjagen. Aber er hatte doch verdammt noch mal ihren wundervollen Körper gesehen, den sie unter diesen Stoffbahnen versteckte. Jesse verstand einfach nicht, warum sie das tat. Damals hatte sie ganz anders ausgesehen. Er erinnerte sich an ihre ausgewaschene Jeans und das enge
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