Sommer in Lesmona
ist-›
Onkel H.: ‹Also es ist erstens ganz ausgeschlossen, daß diese Sache
weitergeht, weil er ja viel zu jung ist und weil dein Vater es nie erlauben würde, und zweitens versprichst du mir jetzt, daß diese Schreiberei
aufhört. Hier geht es nicht, und bei deinen Eltern geht es noch weniger.
Versprich, daß du es heute noch an Percy schreibst, und sage mir heute abend,
ob du es getan hast. Wenn du es nämlich nicht tust, schreibe oder sage
ich alles deinem Vater.» Ith sagte sehr aufgeregt: ‹Da ist gar nichts zu sagen,
denn es ist nichts geschehen, als daß zwei junge Menschen sich gern haben. Im
übrigen bin ich mir schon selbst darüber klar geworden, daß das mit dem Schreiben
nicht geht.» Onkel Herbert küßte mich und sagte: ‹Gut, sage mir heute abend
Bescheid, ob du ihm geschrieben hast.»
Siehst
Du, lieber Percy, so ist es gewesen, und ich kann eigentlich nichts hinzufügen.
Du wirst meine zwei ersten Briefe bekommen haben. Daß dies der letzte sein
soll, ist mir so entsetzlich, und ich denke nur mit Grauen an die Stille, die
jetzt folgen wird. Man kann es doch nicht fassen, daß nach der Seligkeit dieser
Wochen jetzt dieses schreckliche Ende kommen muß. Ich danke Dir für alles
Glück, das Du mir geschenkt hast, nicht mit leeren Worten, aber mit einem
langen Kuß.
Deine Daisy.»
Liebste Bertha, hoffentlich findest Du
meinen Brief richtig, und nun zittere ich vor seinem großen Schweigen.
Montag: Gestern abend fragte Onkel H.,
ob der Brief an Percy geschrieben sei. Ich sagte: «Ja, er ist abgeschickt.» Da
küßte er mich und sagte: «Schade, dieser traurige Abschluß nach den schönen
Wochen, aber ich verspreche dir, deinen Eltern nichts davon zu sagen.» Onkel H.
fühlt sich natürlich doppelt verantwortlich, weil er den Eltern nicht schrieb,
daß Fräulein Kaiser abwesend war!!!
Percy bat mich am Tage vor seiner
Abreise, irgendeinen kleinen Vers in sein Notizbuch zu schreiben, das er
täglich gebraucht, und ich schrieb diesen Vers, den ich mal las:
«Eine
Blüte vom Baum,
Ein
glücklicher Traum,
Ein
lachender Mai,
Wie
schnell geht’s vorbei.
Erinnerung
glüht,
Sie
ist keine Blüt’,
Kein
Traum und kein Mai,
Geht
niemals vorbei.»
Du fragst, ob Béatrice nun hier gewesen
wäre. Wir luden sie mit anderen ein, und da sagte sie ab. Sie schrieb mir, es
hätte keinen Zweck, es würde sie zu traurig machen. Als ich es damals Percy
erzählte, sagte er so ganz einfach: «Denke dir, wie schrecklich, so etwas
passiert mir fortwährend, ich begreife gar nicht, was die Mädchen an mir
haben.»
Nun kommt heute noch Fräulein Kaiser
wieder, und ich schrieb den Eltern letzte Woche, daß sie diese Zeit fort war.
Sie sollten nicht böse sein, daß ich es nicht vorher geschrieben hätte. Ich
hätte Angst gehabt, daß sie mich nach Wildungen kommen lassen würden. Sie haben
darauf nichts geantwortet. Max ist wie ein Bruder zu mir. Er neckt mich oft und
sagt «Witwe Percy», er ahnt natürlich nicht, wie nahe mir alles geht. Max hat
einen bösen Furunkel, sonst wäre er nach London mit zurückgereist.
Schreibe mir bitte, ob Du mich schlecht
findest wegen der fünf Jahre, die ich nicht warten kann.
In Liebe küßt Dich
Deine Matti
Lesmona, Juli 94
Liebste liebe Bertha!
Die Eltern sind nun längst wieder da,
und Georg ist auch aus Shanghai seit einiger Zeit zurück. Wäre ich nicht so
durch meinen Kummer um Percy abgelenkt, hätte mich das alles ja sehr
interessiert, da er doch nach fünfjähriger Trennung nun Elly wiedergesehen hat.
Ich war auch zweimal in der Stadt, um die Eltern und das Brautpaar zu sehen. Jetzt
war Anna aus Oberneuland einige Tage bei Großmutter Quentell in Lesum und kam
oft zu mir herübergerudert. Sie war so lieb und reizend. Wir saßen im Boot oder
vorm Badehaus. Von Percy sagte ich ihr kein Wort. Nun habe ich keinen Brief
mehr von ihm bekommen, und ich warte auf nichts mehr. Wir haben täglich Besuch,
und der armen Fräulein Kaiser wird es viel zuviel. Wäre sie in den letzten
Wochen hier gewesen, hätte die Sache mit Percy nicht passieren können. Es war
eine göttliche Fügung. Nun ist dieser Zwiespalt in mir wegen der fünf
Jahre. Ich habe Todesangst, ob ich es durchhalten kann. Denke Dir doch, wenn
ich nach drei Jahren sage, daß ich es nicht kann. Dann habe ich ihn doch
ruiniert, während er jetzt sofort weiß, daß es nicht sein kann. Er ist so jung
und wird mich doch vergessen. Manchmal denke ich, daß ich stärker bin als er.
Ich lasse mich
Weitere Kostenlose Bücher