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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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überlegen und durfte nicht einmal eine Raumaufteilung aus einer Fachzeitschrift benutzen, und das Haus musste vom Keller bis zum Dach detailreich eingerichtet sein. Das Puppenhaus des Siegers würde auf die Titelseite von Mein kleines Heim kommen. Außerdem bekam der Sieger einen Wellbright-Gutschein im Wert von fünftausend Dollar und wurde zu einer kleinen Kunsthandwerk-Vortragsreise durch Großbritannien eingeladen.
    Die Siegerin des letzten Jahres war schon seit Jahrzehnten dabei und besaß in Kanada zwei Läden für Miniaturen. Mit solchen Leuten sollte Ann Marie jetzt mit ihrem läppischen Jahr Puppenhausbauerfahrung konkurrieren? Nach dem Telefonat ging sie zum Puppenhaus und küsste es doch tatsächlich auf die Eingangstür. Dann nahm sie das Himmelbett aus dem Schlafzimmer und küsste auch das.
    »Oh du mein wunderschönes Haus«, sagte sie. »Vielen, vielen Dank.«
    Sie wusste nicht genau, was sie als nächstes tun sollte, also quietschte sie vor Freude wie ein Kind und rannte in den ersten Stock. Ihr Trainer Raul wäre stolz auf sie gewesen: So schnell war sie seit der High School nicht gerannt.
    »Pat!«, rief sie. »Schatz!«
    Er trat im Anzug aus dem Schlafzimmer, aber fummelte noch an der Krawatte.
    Er schmunzelte. »Ja?«
    »Ich habe gewonnen! Gewonnen! Naja, also jedenfalls bin ich im Finale. Die Leute von Wellbright haben gerade angerufen.«
    »Wie schön«, sagte er.
    Sie versuchte, sich von seinem fehlenden Enthusiasmus nicht irritieren zu lassen. Es war eben einfach nicht sein Ding. Aber sie gab noch nicht auf.
    »Aus zweitausend Teilnehmern bin ich unter den besten zehn.«
    »Das ist ja toll. Ich bin stolz auf dich. Aber müssen wir im Flur stehen?«
    »Und zum großen Finale fahren wir nach London. Das wird alles für uns bezahlt.«
    Jetzt nickte er und seine Augen weiteten sich. »Aufgepasst, große Welt, hier kommt meine Frau, die Innenarchitektin.«
    »Nein, also so ist es ja nun auch nicht.«
    »Dann baust du es hier, und die küren es in London?«
    »Genau.«
    »Na, das wird aber ein Handgepäckstück!«, sagte er. Fiel ihm nichts Besseres ein?
    »Das Haus schicken wir natürlich voraus, du Dummerchen«, sagte sie.
    »Gehen wir heute Abend feiern?«, fragte er.
    »Gerne.«
    »Schließlich ist es unser letzter Abend, bevor du nach Maine auswanderst«, sagte er.
    »Ich weiß. Und es gibt noch so viel zu tun, bevor ich mit dem neuen Puppenhaus anfangen kann.«
    »Du willst gleich heute anfangen?«, fragte er. Das schien ihn zu amüsieren.
    »Na klar, ich habe ja nicht viel Zeit!«
    Ann Marie ging die ausstehenden Erledigungen gedanklich durch: Sie musste zu Ende packen, den Einkauf machen, die Medikamente für ihre Mutter abholen und sie ihr vorbeibringen. Das hieß vermutlich, dass sie zum Mittagessen bleiben müsste, um ihrer Mutter noch beim Aufhängen der Vorhänge im Wohnzimmer zu helfen. Außerdem hatte sie Patty versprochen, für die Kinder beim Schlussverkauf bei Filene’s Badeanzüge und Badehosen zu besorgen. Dann schnell nach Hause, um ein paar Abendessen für Pat vorzukochen, die er sich in ihrer Abwesenheit aufwärmen konnte. Außerdem würde sie wahrscheinlich zu Alices Haus in Canton fahren müssen, um von dort mitzunehmen, was auch immer ihre Schwiegermutter noch benötigte. Die Büchereibücher mussten zurück. Das Auto war total verdreckt und musste dringend gewaschen werden. Sie musste die Nachbarin daran erinnern, die Blumen zu gießen.
    Plötzlich fühlte Ann Marie sich schlapp. Es war doch nur ein blöder Wettbewerb. Er würde nichts daran ändern, dass Fiona homosexuell war, Daniel Juniors Leben ein Desaster und dass alle ständig alles Mögliche von ihr erwarteten. Wie sollte man da die Zeit finden, bei der Einrichtung eines Puppenhauses sein Bestes zu geben? Sie brauchte Urlaub.
    Nachdem Pat zur Arbeit gegangen war, weinte sie. Sie setzte sich an den Küchentisch, legte den Kopf in die Hände und ließ einfach alles raus. Manchmal brauchte man das. Ein paar Minuten lang gab sie sich ihrem Selbstmitleid hin, dann stellte sie sich vor den Flurspiegel und lachte. Warum weinte sie eigentlich? Vielleicht war die Nachricht einfach zu gut gewesen. Ihre Kinder hatten bei jedem Kindergeburtstag geheult, weil sie das alles überfordert hatte.
    »Reiß dich zusammen, Ann Marie Clancy«, sagte sie in den Spiegel. (Sie identifizierte sich bis heute mit ihrem Mädchennamen, obwohl sie den Namen Kelleher seit bald fünfunddreißig Jahren trug.) »Du bist im Finale. Im

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