Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Gesicht. Die Kinder liegen schon frisch gebadet im Bett, und das Abendessen steht auf dem Tisch.
Ann Marie wartete darauf, dass sich die Seite von Winzig & Winzig aufbaute. Dann bestellte sie eine kleine blecherne Keksdose mit Abbildungen der englischen Königin, eine gläserne Milchflasche, ein Dutzend tablettengroße Eier, einen Sack Mehl, einen Weidenkorb voll Keramikgemüse und eine winzige, geöffnete Pralinenschachtel, von deren Deckel ein grünes Geschenkband hing. Ein Geschenk Reginalds zum Hochzeitstag.
Wie schön das neue Haus werden würde! Ann Marie konnte es kaum erwarten. Es war albern, aber irgendwie fühlte sie sich beim Gedanken an das Haus auch selbst schöner. Sie wollte all das mit jemandem teilen, mit jemandem, der sie verstand. Plötzlich wusste sie, was sie gleich tun würde, und sie spürte schon die Schmetterlinge im Bauch. Sie gab die Adresse von Weiss, Black und Abrams in den Browser ein und klickte sich automatisch zu Steve Brewer durch. Aber dann tat sie etwas, das sie bisher noch nicht gemacht hatte: Sie klickte auf Kontakt.
Es öffnete sich ein neues Fenster, in das sie Folgendes schrieb:
Hey Steve! Ich muss Dir unbedingt was erzählen: Die Life , die Du mir geschickt hast, ist ein Glücksbringer. Habe gerade erfahren, dass ich den Puppenhauswettbewerb gewonnen habe. Über 5000 Konkurrenten, und ich habe gewonnen! Vielen Dank also, mein Lieber. Küsschen, Ann Marie
Pat kam um halb sieben nach Hause. Es war schon über eine Stunde vergangen, seit sie die E-Mail abgeschickt hatte, aber sie hatte immer noch nichts von Steve gehört.
Langsam wurde sie nervös. Hatte sie zu dick aufgetragen? Aber vielleicht hatte er auch einfach nur viel zu tun. Eine Besprechung vielleicht. Aber warum hatte sie es gleich so übertreiben müssen? Und, um Himmels Willen: Küsschen? Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Sie gab dem Chardonnay die Schuld an den Küsschen . Überhaupt war der Chardonnay an allem schuld.
Auf dem Weg zum Restaurant bemerkte Pat, sie sei heute aber ungewöhnlich schweigsam. Dann erzählte er, dass er Ralph Quinn, den Vater von Fionas Sandkastenfreundin Melody Quinn, bei der Post getroffen habe. Ralph habe erzählt, dass Melody verlobt sei. Musste Pat das jetzt an sie weitertragen? Das verbesserte ihre Laune nicht gerade, aber sie lächelte und versuchte, Pat eine angenehme Gesellschaft zu sein. Es war ja eine nette Idee von ihm gewesen, sie zum Essen auszuführen.
Sie blieb bei Wein und bestellte dazu ein Steak, und während Pat vom Geschäft redete, sprach sie innerlich hundert Ave Maria: Hoffentlich würde sie eine Nachricht von Steve finden, wenn sie nach Hause kam.
Die fand sie nicht.
Ann Marie konnte keinen klaren Gedanken fassen, außerdem war sie von dem Wein ganz benommen. Sie stellte sich vor, dass seine Frau Linda die E-Mail gelesen hatte und alles wusste. Was würde Linda unternehmen? Würde sie Pat anrufen? Oder erst so tun, als sei nichts gewesen und Ann Marie dann beim nächsten Lesekreis vor der ganzen Nachbarschaft eine runterhauen? Pat und sie würden umziehen müssen.
Sie war schon drauf und dran, eine zweite E-Mail zu schicken, um die erste zu erklären, aber was konnte sie schon sagen? Es war fünf Uhr nachmittags und ich war beschwipst. Und da hab ich mich nicht beherrschen können und Dir geschrieben? Ja, das würde tatsächlich alles erklären.
Was war in letzter Zeit nur mit ihr los?
In dieser Nacht konnte sie nicht schlafen. Pats Schnarchen am anderen Ende des Flurs drang bis zu ihr, und sie wäre auf der Suche nach Trost fast zu ihm hinübergegangen. Stattdessen beschloss sie, ihre überschüssige Energie sinnvoll zu nutzen. Hier herumzuliegen brachte gar nichts, also ging sie in ihre kleine Werkstatt, schaltete das Licht an und packte leise die Dinge zusammen, die sie für Maine brauchte. Dann trug sie alles zum Auto und belud den Kofferraum. Unter anderem nahm sie zwei große Taschen voll Handtücher, Laken, Bänder und Polstermaterial mit. Albern, wenn man bedachte, dass sie von jedem nur ein winziges Stück brauchen würde, aber sie war lieber auf der sicheren Seite.
Dann holte sie zur Inspiration noch einen Stapel Puppenhauszeitschriften.
Sie musste noch drei weitere Male gehen und hoffte, dass die Nachbarn sie nicht dabei beobachteten, wie sie im Nachthemd eine Nähmaschine, eine Klebepistole und eine Schachtel voll winziger Farbtöpfe und Pinsel im Mondschein barfuß über die feuchte Wiese schleppte.
Als sie am nächsten Morgen das
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