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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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E-Mail-Programm öffnete, hatte Steve geantwortet: Du bist unglaublich. Herzlichen Glückwunsch! Das müssen wir feiern. Vielleicht gleich am 1. Juli?
    Das war in zehn Tagen. Der Tag, an dem er mit seiner Frau in Maine ankommen würde. Seine E-Mail war nicht besonders romantisch, aber schließlich hatte sie ihm ja auch an die Arbeitsadresse geschrieben. Immerhin waren sie jetzt im Gespräch.
    Du bist unglaublich . Das war doch was.
    Sie schwor sich, nicht zu antworten. Aber dann tippte sie schon: Ich freu mich drauf! Fahre heute nach Maine, um mich ein paar Wochen um meine Schwiegermutter zu kümmern.
    Es gab so viel zu tun, aber Ann Marie blieb noch lange vor dem Computer sitzen, falls er nochmal antwortete und verfluchte sich dafür, keine Frage gestellt zu haben. So war er nicht gezwungen zu antworten, und das tat er auch nicht.
    Sie würde sich gedulden müssen, Alice unterhalten, das Sommerhaus in Ordnung bringen und an ihrem Puppenhaus arbeiten. Mehr war in den nächsten vierzehn Tagen nicht zu erwarten.
    Auf der Fahrt nach Maine hörte sie bei offenem Fenster einen Oldie-Radiosender. Sie streckte immer mal wieder die Hand aus dem Fenster, um sich den Wind durch die Finger blasen zu lassen. Es war ihr nicht leichtgefallen loszulassen und ihre Mutter, ihren Ehemann und die Enkel zurückzulassen. Aber Alice brauchte sie jetzt mehr. Sie hatte ja sonst niemanden.
    Ann Marie hatte Angst, zu enden wie ihre Schwiegermutter, ihre Mutter, oder überhaupt die meisten alten Frauen. Sie lebten nach dem Tod ihrer Ehemänner noch jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang weiter. Für Ann Marie war ein Leben ohne Pat unvorstellbar. Alleinsein war ihr nie gut bekommen.
    Wenn man so viele Jahre wie sie mit Kindern verbracht hatte, nahm man Stille als unnatürlich wahr. Beim Autofahren stellte Ann Marie sich immer vor, was die Kinder sagen würden, wenn sie auf dem Rücksitz säßen. (Daniel Junior: »Mach das Radio lauter!« Fiona: »Umdrehen! Ich glaub, da hinten sitzt ein einsames Kätzchen im Gebüsch!« Ein vermeintliches Kätzchen, das sich schließlich natürlich immer als Eichhörnchen entpuppte.)
    Sie fuhr auf der Innerstate 95. Der Gurt schnürte ihr den Bauch ab, aber sie weigerte sich, an sich herabzuschauen. Das war eine von Ann Maries Selbstschutzbestimmungen. In einem Tenniskleid sah sie noch akzeptabel aus. Aber der Anblick ihres Bauches beim Sitzen, verschlimmert durch einen engen Gurt, würde schmerzhaft sein.
    Am Samstagabend war sie das letzte Mal zum Training gegangen. Raul scheuchte sie dreimal die Woche auf diese fiesen Fitnessgeräte, und sie schnaufte und keuchte, und hätte schwören können, dass ihr Körper sich umformte. Aber dann sah sie ihren Bauch im Spiegel und fragte sich, ob das Training überhaupt etwas brachte.
    Jetzt richtete sie sich im Fahrersitz auf.
    Bis vor drei Jahren war sie mit ihren Formen zufrieden gewesen. Ihre Figur hatte sich nach jeder Schwangerschaft erholt, und sie hatte auch nicht die Tendenz ihrer Mutter geerbt, mit jedem Jahr zuzulegen. Aber dann kamen die Wechseljahre. Ann Marie und ihre Schwester Tricia waren zwei Jahre auseinander, aber die hormonelle Umstellung setzte gleichzeitig ein. Es war ganz nett, sich mit jemandem darüber austauschen zu können, obwohl Ann Marie nicht gefiel, wie Tricia damit umging. Ihre Schwester hatte sich bei einem Online-Forum angemeldet und chattete den ganzen Tag zum Thema Hormone, Symptome und Hausmittel. Außerdem besorgte sie irgendwann für sich und Ann Marie Musicalkarten: Heiße Zeiten – Die Wechseljahre-Revue . Ann Marie war mitgegangen, um keine Spielverderberin zu sein. Es war auch ganz witzig gewesen, aber sie hatte danach das Gefühl gehabt, als müsse sie sich ein Schild umhängen: ICH HABE AUSGEDIENT!
    Andererseits hatte ihr Körper ja schon längst dafür gesorgt, dass die ganze Welt das wusste. Ann Marie hatte ein Jahr lang mehrmals in der Woche Hitzewallungen gehabt. Manchmal hatte sie in der Drogerie gerade in der Schlange gestanden oder neben ihrem Mann in der Kirchenbank gekniet, als plötzlich eine Hitze in ihr aufgestiegen war und ihr Gesicht in Schweiß ausgebrochen war. Es war demütigend gewesen. Ihr Haar war dünner geworden, im Auto und im Badezimmer hatte sie ganze Knäuel gefunden. Ihr Körper meuterte, und das Schlimmste daran war, dass ihr Bauch wuchs und ihre Brüste zu schrumpfen schienen.
    Zum Muttertag hatte Pat ihr die Stunden bei Raul geschenkt, und Ann Marie hätte am liebsten geheult oder ihn

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