Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Sterben. Sieh doch mal das Gute: Da ist ein kleines Kind auf dem Weg!«
»Okay«, sagte sie. Und dann entschlossener: »Okay.«
Sie verwarf den Gedanken, dass Arlo wieder zu die Realitätswahrnehmung verfremdenden Drogen gegriffen haben musste. Nein, das hatte er nicht nötig. Er war einfach ein guter Mensch und hatte noch keine Ahnung, was es bedeutete, ein Kleinkind im Haus zu haben, das zu jeder Tages- und Nachtzeit brüllte.
Sie hatte sich überlegt, sich mit Maggie in irgendeinem Hotel in der Nähe des Sommerhauses zu treffen. Sie würde ihr eine Taxifahrt bezahlen. Dann konnten sie reden, solange sie wollten, ohne dass Alice sich einmischte.
Aber ihre Anrufe auf Maggies Handy waren tagelang unbeantwortet geblieben. Auf Maggies E-Mail hatte sie mit den Worten RUF MICH AN!!! im Betreff geantwortet, aber Maggie hatte sich nicht gemeldet. Also hatte Kathleen einen überteuerten Flug nach Boston gebucht, dort ein Auto gemietet und war Richtung Norden losgefahren, ohne dass ihre Tochter oder ihre Mutter etwas davon wussten. Tja, und da saß sie nun, ein Nervenbündel im Auto auf der Briarwood Road.
Es war früher Nachmittag. Also war Alice schon von der Kirche zurück und wahrscheinlich mit dem letzten Viertel der zweiten Weinflasche beschäftigt. Kathleen hoffte, dass sie Maggie alleine erwischen würde, um sofort mit ihr sprechen zu können.
Als sie sich den Häusern näherte, sah sie drei Autos in der Einfahrt stehen: Alices und zwei weitere. Dann erkannte sie den blauen Mercedes.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Sie bog um die letzte Kurve und wäre am liebsten mit Vollgas in den Mercedes gefahren.
Vielleicht war Pat nur kurz hier, um irgendwas zu reparieren und war bald wieder weg. Das konnte sie nur hoffen.
Kathleen zog die Schlüssel aus dem Zündschloss, atmete mehrmals tief durch und stieg aus. Als erstes nahm sie den Geruch des Meeres wahr und wurde einen Augenblick lang ganz ruhig. Aber dann flog die Fahrertür des Mercedes auf und Ann Marie stieg aus. Was denn, hatte ihre Schwägerin etwa im Auto auf der Lauer gelegen? Sie roch den Feind wohl schon aus einer Entfernung von hundert Metern.
Ann Marie kam auf sie zu.
»Kathleen!«, sagte sie gezwungen freundlich. »Was für eine Überraschung.«
Ann Marie sah verheult aus. Was zum Teufel hatte sie hier zu suchen? Kathleen ahnte nichts Gutes.
»Ganz meinerseits«, sagte sie. »Bist du mit Pat für den Nachmittag hier, oder wie?«
»Nein, nein. Ich kümmere mich für ein paar Wochen um Alice«, antwortete Ann Marie. »Bin schon vor ein paar Tagen angekommen.«
Was die sich wieder herausnahm! Erst schreiben sie allen für ihr gemeinsames Zuhause einen Zeitplan vor, und dann halten sie sich selber nicht dran. Aber natürlich galten die Regeln nicht für den König und seine Königin, sondern nur für ihre Untertanen.
»In meinem Monat?«, sagte Kathleen in einem scherzhaften Ton und hoffte, dass Ann Marie begriff, dass es kein Scherz war. »Ich kann mich nicht erinnern, um Erlaubnis gebeten worden zu sein.« Sie lächelte. »Nein, nein. Alles nur Spaß.«
»Tja, also eigentlich habe ich dir sehr wohl gesagt, dass es mir Sorgen bereitet, Alice hier oben alleine zu lassen«, sagte Ann Marie. »Und mir hat keiner mitgeteilt, dass Maggie doch länger bleibt.«
»Ach wirklich?«, sagte Kathleen. »Dabei funktioniert die Kommunikation in unserer Familie doch sonst so einwandfrei.«
Das war kein guter Anfang, das wusste Kathleen. Gott gebe mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Verdammt, Gott gebe mir die Kraft.
Kathleen versuchte es noch einmal: »Gut siehst du aus. Hast du abgenommen?«
In Wirklichkeit hatte Ann Marie sich überhaupt nicht verändert. Abgesehen davon vielleicht, dass sie ziemlich angegriffen aussah.
»Oh, danke«, sagte Ann Marie. »Ich gehe zu diesem Trainer, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das was bringt. Naja, immerhin gibt es mir ein gutes Gefühl. Pat hat mir die Trainingsstunden schon vor ein paar Jahren geschenkt, aber in letzter Zeit bin ich regelmäßiger hingegangen.«
»Na, das ist aber ein reizendes Geschenk«, sagte Kathleen.
Ann Marie nickte: »Tja. Ich hätte mir zum Beweis seiner Liebe auch was anderes vorstellen können, aber gut.«
Die beiden lachten. Das war ein gutes Zeichen. Eines ihrer wenigen Gemeinsamkeiten war ihre Meinung zu Pats emotionaler Blindheit, obwohl seine Frau eigentlich auch nicht viel mehr drauf hatte.
»Weißt du, wo Maggie steckt?«, fragte
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