Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Krankheiten gehabt, die auch junge Menschen mir nichts, dir nichts zur Strecke bringen konnten. Aber auf die Idee war sie nicht gekommen. Maggie war doch so verantwortungsvoll. Verdammt, Maggie hatte ihr doch gesagt, dass sie die Pille nehmen sollte, und da war Maggie gerade mal dreizehn gewesen und noch weit davon entfernt, selbst verhüten zu müssen.
Irgendwann hatte Kathleen dann nach Arlo gerufen, der im Wohnzimmer saß. Zuerst leise, dann immer lauter. Als er die Treppe hochkam, schrie sie schon hysterisch. Dann zeigte sie ihm die E-Mail. Er pfiff nur und sagte: »Mannomann!«
»Ich muss zu ihr«, sagte sie.
»Also die E-Mail klingt aber, als würde sie sich wünschen, dass du es erstmal sacken lässt. Sie kennt dich ziemlich gut.« Er lächelte sie liebevoll an.
»Wie kannst du nur so verdammt ruhig bleiben?«, fauchte sie ihn an. Dann atmete sie tief durch.
»Weil es nicht das Ende der Welt ist«, sagte er und massierte ihr die Schultern. »Ein Baby ist auf dem Weg, Kathleen.«
Sie schüttelte seine Hände ab.
»Ich muss zu ihr. Ich muss sie zur Vernunft bringen.«
»Und was genau soll das heißen?«
Sie überlegte, was es für Möglichkeiten gab. Leider war keine besonders angenehm. Eigentlich müsste Maggie abtreiben, aber das würde ihre Tochter wahrscheinlich nicht durchstehen. Freigabe zur Adoption war vermutlich die bessere Lösung. Joni Mitchell hatte es auch getan und sich doch ganz gut davon erholt. I bore her, but I could not raise her – Ich gebar sie, aber ich konnte sie nicht großziehen . War das nicht der Liedtext?
Aber ob ihre Tochter damit klarkommen würde, dieses Kind monatelang in sich zu tragen, um dann für immer Abschied zu nehmen?
»Ich weiß doch auch nicht. Herrgott nochmal, warum musste das passieren?«, sagte sie. »Was erwartet sie denn jetzt von mir?«
»Ich glaube, sie wollte nur, dass du es weißt und dass du ihr zur Seite stehst«, sagte Arlo.
»Ich bin ihre Mutter. Niemand kennt sie so gut, wie ich«, sagte sie.
»Ja und?«
»Und gar nichts.«
Arlo legte die Stirn in Falten: »Ach Kath, ich wünschte, wir könnten sie finanziell unterstützen.«
Sie dachte an die Zwanzigtausend, die sie für die Kompostanlage beiseitegelegt hatte, aber das war für sie und Arlo bestimmt. Sie brauchten es für das Geschäft. Trotzdem fühlte Kathleen sich schlecht, weil sie es nicht hergeben wollte.
Am selben Abend gingen sie zu einem Treffen der Anonymen, und eine wasserstoffblonde Frau mit grauer Gesichtsfarbe erzählte, dass sie einmal so besoffen gewesen sei, dass sie ihre Kinder eines Augustnachmittags stundenlang im Auto eingeschlossen habe.
»Ich hab sie einfach vergessen«, sagte sie. »Eines Tages werden sie mich hassen, das weiß ich ganz genau. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu so etwas fähig bin.«
Arlo hatte Kathleens Hand gehalten, und sie hatte sich daran festgekrallt. Mutterschaft konnte einen verändern, bis man sich selbst nicht wiedererkannte. Was, wenn Maggie aus Verzweiflung zu Gabe zurückging? Und wenn sie nicht zu ihm zurückging, wie würde sie dann alleine im kalten, erbarmungslosen New York zurechtkommen? Eine Möglichkeit war schlimmer als die andere. Kathleen wusste ja, dass es Maggies Leben war und Maggies Entscheidung, aber sie konnte das einfach nicht akzeptieren.
Als Kathleen Paul Doyle erzählt hatte, dass sie schwanger war, hatte er ratlos ausgesehen, aber dann hatte er gesagt: »Dann heiraten wir eben! Das hatten wir doch sowieso vor.« Hatten wir das? , erinnerte sie sich in dem Moment gedacht zu haben, bevor die Erleichterung einsetzte.
Kathleen erinnerte sich an die Einsamkeit als alleinerziehende Mutter nach der Scheidung. Das war die schlimmste Zeit gewesen.
Dann kam ihr eine Idee: Maggie würde bei ihnen einziehen. Sie würden ihr mit dem Baby helfen, und das Kleine würde in der Natur spielen, im Schoß einer liebevollen Familie aufwachsen und das gesündeste Gemüse der Welt essen.
Nach dem Treffen erzählte sie Arlo auf dem Parkplatz von ihrer Idee.
»Wärst du damit einverstanden?«
Seine Augen weiteten sich, als traue er seinen Ohren nicht: »Aber natürlich!«
In diesem Augenblick liebte Kathleen ihn mehr denn je. Dann weinte sie.
»Was ist denn los?«, fragte er.
»Dann ist es aus«, sagte sie, »mit unserer Zweisamkeit. Kein nackt-durchs-Haus-Laufen mehr, keine Privatsphäre. Ich kann es nicht fassen. Warum musste es so kommen?«
Er legte den Kopf auf die Seite: »Man könnte fast denken, einer von uns läge im
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