Sommer in Maine: Roman (German Edition)
mir nicht sicher, ob Sie draußen oder drinnen bevorzugen. Wir können gerne umziehen, wenn Sie wollen.«
»Nein, nein«, sagte er. »Es ist genau richtig.«
Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber: »Wie geht es Ihnen?«
»Naja, es könnte besser sein«, sagte sie.
Er nickte: »Gestern muss ein schwieriger Tag für Sie gewesen sein.«
»Das stimmt. Und ich muss Ihnen noch einmal sagen, wie leid es mir tut, dass Sie das miterleben mussten. Ich für meinen Teil schäme mich meines Verhaltens jedenfalls sehr.«
Er wehrte ab: »Wieso denn? Das passiert in jeder Familie.«
Dann erschien der Kellner mit der Marmelade und schenkte dem Priester Kaffee ein. Pfarrer Donnelly wartete, bis der Kellner gegangen war, dann fuhr er fort: »Ich war davon ausgegangen, dass Sie Ihre Familie in die Entscheidung einbezogen hatten, Alice. Ich bin unendlich dankbar, dass Sie die Spende überhaupt in Betracht gezogen haben, aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das Haus annehmen kann. Ich will auf keinen Fall, dass es meinetwegen Streit gibt.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte sie.
»Aber Ihre Schwiegertochter war doch gestern ganz außer sich. Es tut mir leid, dass sie es auf diese Weise erfahren hat, aber –«
»Meine Schwiegertochter ist eine Hysterikerin«, unterbrach Alice. »Da kann man gar nichts machen.«
»Mir ist nicht ganz klar, weshalb Sie mit niemandem über Ihre Idee gesprochen haben.«
»Ach, die werden sich schon daran gewöhnen«, sagte sie.
»Genau darum geht es mir. Mir ist dabei nicht wohl.«
»Es war ein momentaner Schock für Ann Marie«, sagte sie, »aber glauben Sie mir: Von denen weiß keiner das Anwesen wirklich zu schätzen.«
»Trotzdem«, sagte er.
»Wenn Sie so alt sind wie ich, werden auch Sie auf Ihr Leben zurückblicken«, erklärte sie. »Dann werden Sie die Dinge sehen, die Sie gut gemacht haben und diejenigen, die Sie in den Sand gesetzt haben. Ich wollte ein guter Mensch sein, Herr Pfarrer, aber normalerweise habe ich es immer irgendwie vermasselt. Sie sehen es ja selbst.«
»Was soll ich sehen?«
»Meine Kinder, zum Beispiel.«
»Sie haben eine wundervolle Familie, Alice. Die Gesellschaft ihrer Enkelin Maggie in den letzten Wochen war mir eine große Freude.«
»Maggie ist schwanger«, entgegnete sie. »Kathleen kann mich nicht ausstehen, genau wie Clare, meine andere Tochter. Und Ann Marie hat sich mit mir nur abgegeben, um an das Haus zu kommen.«
»Das ist nicht wahr«, sagte er. »Und was Maggie angeht –«
»Bitte«, unterbrach sie ihn. »Ich möchte darüber jetzt nicht sprechen.«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Alice?« Sie nickte. »Woher kam ursprünglich die Idee, das Anwesen der Kirche zu spenden? Es ist doch nicht etwa eine persönliche Abrechnung?«
»Natürlich nicht.« Es war ihr unangenehm, dass er so von ihr dachte.
»Was war es dann?«
»St. Michael bedeutet mir unglaublich viel«, erklärte sie. »Ich habe lange darüber nachgedacht, was Sie über gute Taten gesagt haben, als ich Sie vergangenen Winter wegen meiner Schwester anrief. Die Spende ist meine Art, in kleinem Rahmen Buße zu tun. Ich weiß, dass es in keiner Relation zu meiner Sünde steht, aber –«
»Sie müssen aufhören, sich Vorwürfe zu machen«, sagte er. »Sie haben nicht gesündigt. Es war ein Feuer. Und Sie hatten das Lokal verlassen, lange bevor es ausbrach.«
»Das ist es ja«, sagte sie leise. »Ich habe Ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt. Würden Sie es als Beichte anerkennen, wenn ich Ihnen hier und jetzt erzähle, was ich bisher verschwiegen habe?«
»Wenn Sie es so wünschen.«
Alice war klar, dass sie dazu nur ein einziges Mal den Mut haben würde. Deshalb hatte sie es ihren Brüdern erzählen wollen, aber die waren jetzt nicht mehr da. Dann hatte sie es Daniel sagen wollen, aber auch der war schon lange tot. Die Beichte vor dem Pfarrer war eigentlich eine Beichte ihnen allen gegenüber. Im Geiste sah sie ihre ewig vierundzwanzigjährige Schwester vor sich.
»Ich bin damals nicht gleich nach Hause gefahren«, sagte sie leise. »Auch, wenn das alle gedacht haben, sogar mein Mann. In Wirklichkeit war ich da. Mary war meinetwegen im Lokal, als das Feuer ausbrach.«
Der Pfarrer sah verwirrt aus, als sei er sich nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagte.
»Alles hat mit diesen dämlichen Handschuhen angefangen, weil ich mich unbedingt weigern musste wieder reinzugehen und sie zu holen, weil ich doch wegen Henrys Antrag so sauer war, was natürlich
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