Sommer in Maine: Roman (German Edition)
das die ganze Zeit mit dir herumgetragen hast. Ich wünschte, du wärst einfach gleich nach Kalifornien gekommen, anstatt dich dem Familiendrama in Maine auszusetzen.«
Maggie fühlte eine Mischung aus Frustration und Mitleid, und noch bevor sie darüber nachdenken konnte, hörte sie sich schon sagen: »Bis gestern gab es eigentlich gar kein Drama.«
»Ach so. Dann ist es also meine Schuld.«
»So hab ich das nicht gemeint.«
»Maggie, du weißt, dass ich stolz auf dich bin und dich sehr lieb habe. Egal, was passiert«, sagte Kathleen. »Aber ich begreife einfach nicht, woher deine Loyalität dieser Familie gegenüber kommt. Denen sind wir doch scheißegal. Es macht mich so traurig, zuzusehen, wie sie dich immer wieder enttäuschen. Genau so haben sie es auch schon mit mir gemacht. Wenn ich daran denke, was Alice gestern zu dir gesagt hat –«
Maggie hatte die Fähigkeit ihrer Mutter ganz vergessen, jedes Gespräch über die Familie schließlich wieder auf sich zu lenken und darauf zu sprechen zu kommen, wie schlecht sie von ihnen behandelt worden war. In den letzten Wochen war Maggie Alice und Ann Marie näher gekommen, und vielleicht war es wirklich naiv, aber sie freute sich darüber. Ihre Mutter meinte es gut, aber Kathleen würde ihr eine Beziehung zum Rest der Familie nie gönnen können.
»Mich enttäuscht niemand«, sagte Maggie. Sie richtete sich auf, nahm ihre Notebooktasche vom Tisch, hing sich den Riemen vorsichtig über die Schulter und murmelte: »Verdammt, mein Busen tut vielleicht weh.«
Kathleen nickte: »Ja, das gehört dazu. Und gewachsen sind sie auch schon.«
»Echt?«
»Klar. Als ich dich gestern gesehen hab, dachte ich erst, du hättest sie vergrößern lassen.«
»Das könnte ich jedenfalls sagen, wenn jemand fragt«, sagte Maggie. »Okay, ich komm nachher wieder rüber.«
Mit diesen Worten verschwand sie mit ihrem Notebook nach nebenan.
Jedes Mal, wenn sie in den letzten vier Tagen ihre E-Mails geöffnet hatte, hatte sie sich fest vorgenommen, Gabes Nachricht nicht noch einmal zu lesen. Und jedes Mal hatte sie es doch getan.
Als sie die neue Nachricht mit seinem Namen im Absender zum ersten Mal sah, bekam sie Gänsehaut, als hätten sie sich gerade kennengelernt und sie warte darauf, nach der ersten Verabredung wieder von ihm zu hören.
Dabei wusste sie doch schon ganz genau, was passieren würde. Sie würde ihr Kind alleine großziehen. Es war ein beängstigender und betrüblicher Gedanke, aber sie würde es schaffen. Schließlich war sie ja nicht die Erste. Und irgendwie hatte sie immer geahnt, dass sie am Ende alleinerziehende Mutter sein würde. Vielleicht einfach deshalb, weil sie selbst von einer großgezogen worden war.
Sorry, Mags, dass ich jetzt erst schreibe. Seit deiner Nachricht denke ich an nichts anderes als dich und das Baby und frage mich, was ich jetzt machen soll. Vor Schreck hab ich letztens sogar nach Verlobungsringen geschaut. Ich hab denen richtig auf die Vitrinen geschwitzt. Aber ich will weder dir noch mir was vormachen: Ich kann das jetzt nicht. Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich. Wer weiß, was die Zukunft bringt: Vielleicht werd ich ja irgendwann erwachsen. Aber ich würd dich gern auf einen Kaffee treffen, wenn du wieder da bist. Es tut mir leid. Gabe
Maggie hatte es nicht anders erwartet. Das war typisch Gabe: Sorry, dass ich selbst noch zu sehr Kind bin, um für unser Kleines Verantwortung zu übernehmen. Aber hey, ich lad dich gern mal zu ’nem Latte Macciato ein.
Maggie verstand ihn ja. Und trotzdem trauerte sie um etwas, das sie eigentlich nie gehabt hatte. Damit es zwischen ihnen funktioniert hätte, hätten sie andere Menschen sein müssen: Sie hätte als Freundin mehr Vertrauen haben und er als Freund dieses Vertrauen verdienen müssen. Es war ihr schon klar, dass das einfach nicht der Realität entsprach. Und trotzdem vermisste sie ihn. Warum konnte sich die Ratio etwas so Schlichtes und Alltägliches wie die Liebe nicht unterwerfen?
Maggie setzte sich an den Tisch in Alices Küche, aber schaltete das Notebook noch nicht an. Stattdessen rief sie ein Polizeirevier in Tulip, einem Städtchen in Texas, an, wo eine verbitterte ehemalige Ballkönigin ihren Mann wegen seiner Affären erschossen hatte. War es nicht vielsagend, dass sie diese Arbeit entspannender fand, als ein Frühstück mit ihrer Mutter?
»Guten Tag. Kann ich bitte mit Ihrer Pressestelle sprechen?«, fragte sie und war sich ziemlich sicher, wie die
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