Sommer in Maine: Roman (German Edition)
einfach stehen.
Dann trat eine Frau in den Laden und Maggie hörte Ruby sagen: »Evangeline! Was macht die Erkältung?«
Ruby und Mort plauderten ganz selbstverständlich mit den Ortsansässigen und mit Alice. Maggie hörte gerne zu und hatte sich oft gewünscht auch dazuzugehören, aber sie bekam nie mehr als ein höfliches Hallo und Auf Wiedersehen . Für Ruby und Mort war Maggie nur ein Sommergast von vielen.
»Heute früh hatten wir eine Touristengruppe aus Worcester hier«, erzählte Ruby der Kundin. »Erst haben sie sich vor dem Laden gegenseitig fotografiert, als wär das hier Unsere Kleine Farm , und dann sind sie reingekommen und wollten sich mit uns knipsen lassen.«
»Ach herrje«, sagte die andere.
»Sie hatten vor, zum Strand in York zu fahren, und danach wollten sie Erdbeeren pflücken gehen. Zu meiner Zeit war das Erdbeerenpflücken ein Broterwerb. Einen Monat später waren es Grüne Bohnen und dann Mais, bis man um Gnade flehte. Wenn ich mir vorstelle, dass die dafür bezahlen, sich in der Hitze den ganzen Tag über Sträucher beugen zu dürfen … also wirklich.«
»Ganz meine Meinung«, sagte die Kundin.
»Wenn du mich fragst, sind das alles Popolöcher«, sagte Mort, indem er die schwere Kiste abstellte.
Maggie musste lachen und drückte sich die Hand auf den Mund.
Ruby schüttelte nur den Kopf, aber sie lächelte dabei, und man konnte sehen, dass sie diesen Mann und das Leben, dass sie sich aufgebaut hatten, liebte. Die beiden gingen so vertraut miteinander um, als kannten sie einander durch und durch. Maggie fragte sich, ob sie diese Art von Vertrautheit je erleben würde. Auf dem Spaziergang zurück zum Sommerhaus dachte sie noch immer über diese Frage nach.
Als sie ankam, ging sie zu ihrer Mutter, umarmte sie fest und lud sie zum Mittagessen ein, obwohl sie wusste, dass Kathleen ihr wieder den gleichen Vortrag halten würde. Vielleicht würde sie keinem Menschen je näher sein als ihrer Mutter.
Ann Marie
A n den letzten Junitagen hatte es ununterbrochen geregnet, aber am ersten Juli brach die Sonne durch und ihnen strahlte der bisher schönste Tag des Sommers. Ann Marie trat durch die Tür in die warme Sommerluft unter einem blauen Himmel. Sie sah sich um: Unten am Ufer berührte das Meer sanft den feuchten Sand, im Garten blühten Alices Lilien, und über ihrem Kopf bewegte eine Brise die Blätter.
Das schlechte Wetter hatte ihr nichts ausgemacht, denn sie war sowieso viel drinnen gewesen, um das Haus auf Vordermann zu bringen. Kathleen war erst seit vier Tagen da, aber hier sah es vielleicht aus. Überall lagen Zeitungen herum, und auf dem Boden des Badezimmermülleimers hatte Kathleen anscheinend ihre Zigarettenkippen versteckt, die dort hässliche schwarze Flecken und einen Gestank hinterlassen hatten, der erst nach einer Dreiviertelstunde Schrubben mit Natron erträglich wurde. Außerdem war es Kathleen anscheinend vollkommen unmöglich, ein Glas nach Benutzung in die Spüle zu stellen. Auf der Kommode lag ein Stapel Visitenkarten von kalifornischen Schulen (Warum?) und gekritzelte Notizen, aus denen Ann Marie überhaupt nicht schlau wurde: Was sie wissen müssen: mit Cocktail frühere Orchideenblüte / kräftigere Farben / längere Blütezeit … flüssige Algen = gesteigertes Pilzwachstum … neue Anlage heißt: wir brauchen mehr Mitarbeiter UND MEHR MÜLL! …
Ann Marie hielt die Zettel mit einer Büroklammer zusammen, steckte sie ihrer Schwägerin ins Portemonnaie und wandte sich dem weiteren Schaden zu, den Kathleen angerichtet hatte.
Mittlerweile war die Bettwäsche gewechselt und in der Küche und auf dem Klavier stand jeweils eine Vase Sonnenschein mit gelben, roten und orangenen Rosen. Der Grill auf der Veranda glänzte, und im Kühlschrank lagen Champagnerflaschen, Brombeeren, Gebäck, Steak, Maiskolben und drei verschiedene Käsesorten bereit. Die mit Muscheln bemalte Lampe, die normalerweise auf dem Esstisch stand, hatte sie auf den Dachboden verbannt und stattdessen ihr Puppenhaus hingestellt. Jetzt hatte es einen Ehrenplatz mitten im Wohnzimmer.
Genau so hatte sie sich die Begrüßung für die Brewers vorgestellt, die im Laufe des Nachmittags ankommen sollten. Es war der perfekte Anfang für Ann Maries offiziellen Monat in Cape Neddick. Abgesehen natürlich davon, dass Kathleen und Maggie immer noch da waren.
Kathleen weigerte sich, abzureisen, vermutlich aus reiner Boshaftigkeit. Sie schob vor, Maine solange nicht verlassen zu können, bis sie Maggie, die
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