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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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sie, gab die Familie mit Ausnahme ihres Vaters und ihrer Schwester Kathleen die Schuld am Scheitern der Ehe. Patrick meinte, dass Paul seiner Affäre irgendwann entwachsen würde, dass sie zur Paartherapie gehen sollten, dass sie alles versuchen mussten, weil Scheidung einfach nicht richtig sei. Ihm zufolge hatte er Paul nur gedeckt, weil die Familie zu wertvoll war, um über so etwas zu zerbrechen. Kathleen vermutete, dass er dabei wieder einmal nur an sich gedacht hatte: In der Kelleherfamilie hatte es noch nie eine Scheidung gegeben, und Pat schien darauf irgendwie stolz zu sein.
    Alice deutete an, dass Kathleen für Patricks Untreue mitverantwortlich war und meinte, dass sie eine funktionierende Ehe nicht einfach so wegwerfen dürfe.
    Ihre Mutter verteidigte Paul also, aber ironischerweise hatte Paul Alice nie leiden können. Wenn Alice sich bei ihnen angemeldet hatte, sprach er von der Rückkehr der Jedi-Zicke. Er legte ihr gegenüber konsequent die größte Höflichkeit an den Tag, aber das tat er nur aus Angst.
    Als Kathleen Paul das erste Mal zu ihren Eltern mitnahm, saßen die vier gerade am Tisch und aßen Spaghetti, als es an der Hintertür klopfte. Kathleen konnte ihren Onkel Timmy und seine Frau Kitty durch die Glastür erkennen. Am letzten Thanksgiving hatten Kitty und Alice sich über das richtige Gewicht eines Truthahns für zwanzig Personen in die Haare gekriegt. Alice glaubte, dass ihre Schwägerin sie für geizig hielt. Seitdem hatte sie kaum ein Wort mit Tante Kitty gewechselt. Und auch nicht mit ihrem Bruder, den sie auf diese Weise dafür abstrafte, ein solches Monster geheiratet zu haben.
    Alice hatte fünf Geschwister, Daniel war eines von zehn Kindern. Insgesamt hatte Kathleen zweiundvierzig Cousins und Cousinen. Als sie, Pat und Clare klein waren, war ihr Zuhause ein wahrer Bienenstock. Es konnte vorkommen, dass sie sonntags beim Abendessen saßen und plötzlich Onkel Jack, seine Frau und ihre sieben Kinder hereinplatzten. Dann stöhnte Alice und flüsterte ihr zu: »Stell noch Kartoffeln auf den Herd.« Kathleen hatte das immer gehasst und sich geschworen, dass sie auf keinen Fall mehr als zwei Kinder haben würde und mit ihrer kleinen Familie in Geborgenheit und Zurückgezogenheit wie auf einer Insel leben würde.
    Tante Kitty winkte überschwänglich und Paul erwiderte den Gruß instinktiv. Es war eine ganz normale Reaktion, wenn man an einem Sonntagabend in der Vorstadt am Küchentisch saß und einen eine kleine, grauhaarige Dame von draußen anlächelte, aber Alice fauchte: »Paul, schau da nicht hin! Wir sind nicht zuhause.«
    Paul kicherte, doch dann sah er Alices ernsten Blick. Verwirrt sah er Kathleen an.
    »Aber Mama, sie können uns doch sehen«, sagte Kathleen ohne aufzublicken.
    »Sei still, dann werden sie schon wieder gehen«, flüsterte Alice. »Man erscheint nicht unangekündigt zum Abendessen.«
    In Wirklichkeit machte man das in ihrer Familie ständig, aber Alice hatte etwas gegen Kitty und hatte nicht vor, ihren Groll aufzugeben.
    »Wer ist das denn?«, fragte Paul leise.
    »Mein Bruder und seine grässliche Frau«, sagte Alice. »Keine Sorge, sie werden’s schon kapieren.«
    Sie sahen auf ihre Teller hinab und aßen weiter. Kitty klopfte stärker, als könnte man sie aus einem Meter Entfernung vielleicht nicht hören. Sie rüttelte an der Tür, aber die war abgeschlossen.
    »Himmel, Alice, jetzt reicht’s aber«, sagte Daniel schließlich, stand auf, ging zur Tür und ließ die beiden rein.
    »Hallo ihr zwei«, sagte er in seinem typischen fröhlichen Ton. »Hunger? Heute gibt’s Spaghetti.«
    »Oh nein, wir wollen uns nicht aufdrängen!«, sagte Kitty.
    »Natürlich wollt ihr das«, antwortete Alice bissig. »Aber wie du mich kennst gibt es ja nicht genug.«
    »Das ist meine kleine Alice. Immer ganz die Dame«, sagte Onkel Tim. »Wie wär’s erstmal mit einem Bier?«
    Alice rührte sich nicht, also ging Onkel Timmy an den Kühlschrank und bediente sich. Er war ein witziger, gutherziger Mann und ähnelte darin Kathleens Vater. Er hatte Kathleen einmal erzählt, dass er es gewesen war, der Alice Daniel vorgestellt hatte, damals, während des Zweiten Weltkrieges.
    »Wir waren bei Kittys Cousine ein paar Blocks von hier und dachten, wir kommen kurz vorbei«, sagte er. »Und keine Sorge: Sie haben gekocht und wir sind pappsatt.«
    »Gut. Ihr seht ja, dass wir Besuch haben«, sagte Alice.
    Timmy hob eine Braue: »Kathleen und ihr Freund zählen als Besuch?«
    Alice blieb

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