Sommer in Maine: Roman (German Edition)
schlich den Flur hinunter und an der Tür vor der Treppe vorbei, obwohl sie wusste, dass Pat kein Tornado wecken konnte.
Seit Fionas Auszug vor zehn Jahren schliefen Patrick und sie nicht mehr im selben Bett. Zunächst war es eine vorläufige Lösung gewesen: Sein Schnarchen hielt sie wach, und sie hatte einfach einmal durchschlafen wollen. Aber dann verstrich eine Woche nach der nächsten, und sie stellte fest, wie angenehm es war, sich ausstrecken zu können und ihn nicht jede Stunde rütteln zu müssen, damit er sich auf die Seite legte. Also blieb es dabei, und keiner der beiden sagte etwas dazu.
Ann Marie hatte mal eine Folge von Oprah zu dem Thema gesehen: Paare in getrennten Betten – Und was ist mit Sex? Aber sie machte sich nichts daraus. Dieser Teil ihrer Ehe war ein für alle Mal abgeschlossen. Sie liebte ihren Mann, sie hatten ein schönes Heim und drei zauberhafte Kinder, kamen gut miteinander aus, hatten eine Menge Freunde und stritten sich nie. Das konnten nicht viele Ehepaare von sich sagen.
Niemand wusste von dem nächtlichen Arrangement, denn wenn eines der Kinder da war, schliefen Ann Marie und Patrick wieder nebeneinander. Nur, als Fiona einmal zu Thanksgiving ein paar Freunde vom Trinity College mitbrachte, hatte es einen peinlichen Vorfall gegeben, weil das Bett im Gästezimmer offensichtlich benutzt war. Ann Marie hatte improvisiert: Sie habe in der Woche zuvor einmal im Gästezimmer geschlafen, Pat sei erkältet gewesen.
»Er hat darauf bestanden. Damit ich mich nicht anstecke«, hatte sie eilig gesagt. »Ich muss tatsächlich vergessen haben, die Bettwäsche zu wechseln.«
»Alzheimer lässt grüßen, Mama«, hatte Fiona nichtsahnend gescherzt.
Jetzt ging Ann Marie in die Küche, knipste das Licht an und mahlte Kaffeebohnen, die in einem Geschenkkorb eines von Pats Kunden gewesen waren. Sie schüttete den gemahlenen Kaffee in die Maschine und genoss das starke Aroma der frischgemahlenen Bohnen. Dann befüllte sie den Wassertank.
Am Vorabend hatte sie in Vorbereitung auf eine kleine Teegesellschaft mit ihrer Enkelin Maisy das gute Belleek Service bereitgestellt. Sie würden selbstgebackene Scones essen, und Ann Marie würde ihrer Enkelin von dem irischen Dorf erzählen, wo das cremefarbene, mit zarten Kleeblättern verzierte Geschirr hergestellt wurde. Ann Marie strich über die Untertassen.
Sie setzte sich an den Küchentisch, auf dem sie am Abend zuvor, wie jeden Abend, eine Liste mit Erledigungen bereitgelegt hatte. Eine Spalte für sich (für P. Lamm auftauen, Medikamente abholen, Swimmingpoolmensch: Filterproblem) , eine für Pat (Scheck Daniel Junior, Ölcheck?, Wasserrechnung zahlen) .
Sie drehte den Zettel um und sah jetzt erst, worauf sie geschrieben hatte: Es war ein Schreiben des Country Club, in dem sie darum gebeten wurden, sich zu eventuellen Neuaufnahmen zu äußern.
»Mist. Mist!«, sagte sie. Fast hätten sie den Abgabetermin verpasst. Sie schwor sich, von jetzt an nur noch auf Notizzettel zu schreiben.
Sie las: Die hier aufgelisteten Personen und ihre Familien sind für die Clubmitgliedschaft vorgeschlagen worden. Das Aufnahmekomitee und der Verwaltungsrat danken Ihnen für etwaige Kommentare, die selbstverständlich vertraulich behandelt werden.
Sie überflog die Liste: William und Karen Eaves kannte sie nicht. Tom und Susan Devine hatte sie ein paarmal getroffen, aber ob sie für den Club eine Bereicherung waren, konnte sie nicht einschätzen.
Letzten Sommer hatten Pat und sie die Brewers vorgeschlagen. Die beiden waren schon lange ihre Nachbarn und seit kurzem auch Freunde. Damals hatten sie die anonymen Kommentare mancher Mitglieder überrascht. Da schrieb jemand, dass Linda Brewer beim Kennenlernpicknick einen zu engen Badeanzug getragen habe. Jemand anderes fand, sie habe sich am Buffet gehenlassen. Die beiden waren trotzdem reingekommen. Ann Marie und ihr Mann waren seit 1987 Clubmitglieder, und niemand würde es wagen, Pats Nominierungen in Frage zu stellen.
Die Brewers nach Maine einzuladen, war Pats Idee gewesen. Normalerweise nahmen sie George und Laney Dwyer für die Woche um den Unabhängigkeitstag am vierten Juli mit, aber die waren dieses Jahr auf einer Hochzeit, sodass Pat und Ann Marie für die erste Hälfte ihrer zweiwöchigen Reise eine andere Lösung finden mussten. (In der zweiten Woche würden Patty und Josh mit den Kindern kommen, und nach Ann Marie und Pats Abreise hätte Pattys Bande das Haus eine Woche lang für sich. In der letzten
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