Sommer in Maine: Roman (German Edition)
Juliwoche würde Ann Marie alle paar Tage hinfahren, um nach Alice zu sehen, bis im August Clare und Joe ankamen.)
»Warum fahrt ihr zwei nicht alleine? Ein romantischer Kurzurlaub, bevor die wilden Enkel einfallen«, hatte Patty gesagt, als Ann Marie ihr erzählte, dass die Dwyers dies Jahr nicht mitkommen konnten.
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Ann Marie. »Wir sind doch immer zu zweit.«
Sie hatte schon überlegt, ihre Schwester Susan zu fragen, obwohl ihr Mann Sean ein grässlicher Besserwisser war. Außerdem konnte Pat ihn nicht ausstehen, weil er nie die Restaurantrechnung übernahm und ihnen den peinlichen Moment nicht ersparte, wenn er mit Verzögerung nach dem Portemonnaie griff und die Scheine in Zeitlupe auseinanderfaltete, bis es Pat reichte und er sagte: »Ich lad euch ein.«
Susan konnte nicht oft genug sagen, wie gut Sean mit seiner Klempnerfirma verdiente. Wenn sie unbedingt damit angeben musste, hätte er wenigstens ab und zu ein Abendessen bezahlen können.
Jedenfalls kam Pat eines Maiabends von der Arbeit nach Hause und sagte: »Ich habe Steve Brewer in der Mittagspause gefragt, ob er und Linda nicht nach Maine mitkommen wollen. Er muss das noch mit Linda besprechen, aber er klang positiv.«
»Stell dir das mal vor: Ein Mann, der eine größere Entscheidung mit seiner Frau besprechen will«, sagte sie.
Was hatte sich Steve dabei gedacht? War das wirklich eine gute Idee? War es nicht zu riskant?
»Eine größere Entscheidung?«, sagte Pat und griff nach einer Packung Käsecracker.
Die hatte sie eigentlich vor ihm verstecken wollen. Pat sollte zwischen den Mahlzeiten nicht knabbern.
»Also, Schatz, ich hab dir ja nicht nebenbei mitgeteilt, dass wir morgen nach Tokyo ziehen.«
»Aber was wäre jetzt, wenn ich die Brewers gar nicht mag?«, gab sie zurück.
»Du magst sie aber, und zwar sehr.«
»Stimmt«, sagte sie. »Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern.«
Sie hoffte, dass er ihr das schlechte Gewissen nicht ansah.
Ann Marie träumte seit dem Wohltätigkeitsball Anfang April von Steve Brewer. Sie stellte sich vor, wie sie sich bei einem langen Candle-Light-Dinner händchenhaltend besser kennenlernten. Es ging ihr um Romantik, nicht um Sex. An Letzteres wollte sie gar nicht denken. Aber ein bisschen umworben zu werden war genau das Richtige, um sie von ihren Sorgen abzulenken.
Sie wusste, dass er genauso fühlte. Sie hatten sich im Lauf der Jahre bei Abendessen, auf die beide Paare eingeladen worden waren, und bei Straßenfesten in der Nachbarschaft oft unterhalten. Aber niemals, ohne dass andere dabei gewesen wären. An einem dieser Abende hatte er mehr von ihr erfahren wollen: Wo sie aufgewachsen sei, was sie vor den Kindern gemacht habe. (»Da war ich im Restaurantgewerbe«, hatte sie, wie immer, geantwortet. Das klang besser als Kellnern. Auf dem College hatte sie Krankenschwester werden wollen oder vielleicht Lehrerin, aber das erste Kind kam, bevor sie eine Gelegenheit dazu hatte. Und Patrick fand, dass die Mutter seiner Kinder nicht arbeiten musste.)
Als er ihr Wasser nachschenkte, berührte Steves Hand ihre, und er ließ sie dort, bis das Glas voll war.
»Und was macht ihr beiden, wenn ihr nicht im Club seid?«, fragte er.
Sie antwortete wie immer: Sie fuhren nach Maine zu ihrem Haus am Strand, machten lange Spaziergänge und spielten Tennis. Dann erzählte sie ihm von dem Puppenhaus. Vielleicht hatte sie zu viel getrunken, jedenfalls berichtete sie so aufgeregt davon, als spräche sie mit einem Gleichgesinnten.
»Gerade heute habe ich eine winzige Gruppe Hummel-Figuren für den Kaminsims gekauft«, sagte sie. »Die sind sehr selten. Echt antik.«
»Miniatur Miniaturen«, sagte er lächelnd.
»Genau!«
»Wie bist du auf Puppenhäuser gekommen?«, fragte er und klang ehrlich interessiert.
»Durch die Enkel«, antwortete sie. »Aber wenn ich es mir recht überlege, liegen die Anfänge eigentlich viel früher. Erinnerst du dich daran, als Jackie Kennedy das Weiße Haus restaurieren ließ und ein Kamerateam einlud? Dies ist der Goldene Salon, hier sehen Sie den Grünen Salon. « Ann Marie hauchte die Worte wie Jackie.
Er lachte: »Ja! Ich erinnere mich gut.«
»Als ich das sah, wünschte ich mir, einmal mein eigenes perfektes Heim einzurichten«, sagte sie und erkannte in diesem Augenblick die Verbindung. »Versteh mich nicht falsch: Unser echtes Haus ist wunderschön. Aber ein Puppenhaus ist immer und zu jeder Zeit makellos. Man muss sich keine Sorgen machen, dass
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