Sommer in Maine: Roman (German Edition)
die Kleinen Traubensaft verschütten oder mit ihren Schuhen die Fliesen ruinieren.«
»Ja, klar«, sagte er. »Linda mag übrigens auch diese kleinen beleuchteten Porzellanhäuschen, die man zu Weihnachten hinstellt. Weißt du, welche ich meine?«
Wieso musste er jetzt seine Frau erwähnen? Beinahe hätte Ann Marie geantwortet, dass alberne Weihnachtsporzellanfigürchen rein gar nichts mit Puppenhausdesign zu tun hatten, doch dann lächelte sie nur.
Ein paar Tage später kam ein Brief. Es war eine Dankeskarte, adressiert an beide, Ann Marie und Pat. Darin hatte Steve geschrieben: Vielen Dank, dass ihr euch beim Country Club für uns eingesetzt habt. Ihr werdet es nicht bereuen! Das nächste Abendessen geht auf uns. PS: Und zur Unterstützung der Weiße-Haus-Recherchen …
Im Umschlag lag eine briefmarkengroße Zeitschrift. Es war eine Miniaturausgabe der Life aus dem Jahr 1962. Auf dem Titelblatt war die junge First Lady mit einem strahlenden Lächeln und einer Pillbox auf dem Kopf abgebildet, darunter die Worte: »Mrs. Kennedy räumt das Weiße Haus um«.
Als sie die Zeitschrift zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und dann vorsichtig auf den Wohnzimmertisch im Puppenahaus legte, spürte Ann Marie ein freudiges Kribbeln. Sie erwähnte das Geschenk Pat gegenüber nicht, als er abends nach Hause kam.
Seitdem schien Steve sie bei jeder Umarmung zur Begrüßung oder zum Abschied, selbst in Gegenwart ihrer Partner, ein wenig länger festzuhalten, als üblich war. Er machte ihr Komplimente und fragte mit echtem Interesse nach ihrem Engagement in der Kirche und nicht, wie die anderen, nur um etwas zu sagen. An manchen Nachmittagen gönnte sie sich zwischen Putzen und Kochen ein Glas Wein, setzte sich damit an den Computer im Arbeitszimmer und gab die Website von der Anwaltskanzlei ein, in der Steve arbeitete: Weiss, Black und Abrams. Sie wusste, noch bevor die Seite ganz geladen war, wo sie klicken musste: Der Link zum Mitarbeiterverzeichnis war am rechten Rand. Und schon lächelte er ihr vom Bildschirm entgegen. Unter seinem Foto stand Stephen Brewer, Teilhaber , dann die Beschreibung seiner Fachgebiete. Ann Marie kannte sie auswendig: Stephen Brewer ist Teilhaber der Bostoner Kanzleifiliale. Er ist Spezialist für Wertpapiertransaktionen außeramerikanischer Firmen in den Vereinigten Staaten, wobei er sowohl Emittenten als auch Underwriter vertritt.
»Und was macht Ihr Mann?«, hatte ein neuer Nachbar Linda beim Lesekreis gefragt.
»Er ist Anwalt«, hatte Linda geantwortet.
»Ach. Und was ist sein Spezialgebiet?«
Dazu hatte sie nur schulterzuckend gesagt: »Überstunden.«
Die anderen hatten gelacht, aber Ann Marie hatte innerlich die Worte rezitiert, die ihr wie eine Geheimsprache zwischen ihr und Steve vorkamen: Wertpapiertransaktionen, das ist sein Gebiet. Und er vertritt nicht nur Emittenten, sondern auch Underwriter.
Ann Marie freute sich schon seit Monaten auf ihre jährliche Reise nach Cape Neddick. An einem grauen Wintertag hatte sie MAINE auf eine Starbucksserviette gekritzelt und sie im Mercedes unter den Blendschutz geklemmt. So musste sie nur den Spiegel herunterklappen und hatte vor Augen, was sie erwartete.
Seit Pat ihr mitgeteilt hatte, dass die Brewers mitkommen würden, hatte sich ihre Vorstellung von der Reise verändert, und sie freute sich nun auf ganz neue Dinge. Außerdem wurde sie nervös. Sie hatte vier Designerkleider und einen weißen Kaschmirpullover gekauft und sich Steves Gesicht vorgestellt, wenn er sie darin sah. Sie stellte sich vor, dass Steve und Linda Brewer im Auto dicht hinter Pat und ihr Richtung Norden fahren würden, und die kleine Kolonne beim Press Room in Portsmouth auf ein Glas Wein und ein Hummerbrötchen anhalten und dann weiterfahren würde, bis sie schließlich unter den vertrauten alten Holzbalken im Sommerhaus sitzen und die durch die offenen Fenster wehende Seeluft einatmen würden. Später könnten Pat und Steve es sich mit einem Bier gemütlich machen, während sie mit Linda zum Delikatessenladen in Ogunquit fuhr und den Einkaufswagen mit französischem Brie, italienischer Salami, Oliven, Croissants, Bioapfelsaft, Himbeeren, feinster Zartbitterschokolade und einer Kiste Champagner belud. Sie würde vielleicht ihr Trifle-Geheimrezept backen, wenn es auch eigentlich nicht die richtige Jahreszeit war. Sie hatte nicht vergessen, dass Steve ihren Trifle bei der Weihnachtsfeier in der Nachbarschaft vor ein paar Monaten sehr gelobt hatte.
Der ursprüngliche
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