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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Cousins am Küchentisch in Ann Maries großer, heller Küche und wünschte, sie gehöre hierher.
    Vor ihrem Haus angekommen stieg sie schluchzend die Treppen zu der Wohnung im fünften Stock hinauf. Einen Aufzug gab es nicht. Als sie den vierten Stock erreicht hatte, hörte sie, wie sich einen Stock über ihr knarrend eine Tür öffnete. Sie hoffte inständig, dass es nicht Mr. Fratelli war, der notgeile Nachbar, der nach Suppe roch und sie ständig in seine Wohnung einlud, um ihr seine Liebesvögel Sid und Nancy zu zeigen.
    Aber dann hörte sie Rhiannons Stimme: »Maggie?« Der schwache schottische Akzent war selbst in diesem einen Wort unverkennbar.
    »Ja, ich bin’s«, sagte sie und stieg die letzten Stufen hinauf. Sie wollte am liebsten in ihrer Wohnung verschwinden und alleine sein, obwohl sie Rhiannon wirklich gern hatte.
    Ihre Nachbarin war eine Schönheit aus Glasgow. Sie war noch keine dreißig, hatte aber schon eine Scheidung von einem älteren amerikanischen Geschäftsmann hinter sich, wegen dem sie ursprünglich hergezogen war. Jetzt kellnerte sie nachts in einem angesagten Restaurant in SoHo und besuchte tagsüber an drei Tagen in der Woche Seminare an der New York University. Rhiannon wirkte unbefangen und frei, aber vielleicht lag das daran, dass sie nicht von hier war und für sie deshalb alles ein Abenteuer war. (Oder es war andersherum, und wegen ihrer Abenteuerlust hatte sie sich überhaupt erst getraut herzukommen.) Rhiannon war immer unterwegs. Entweder fuhr sie mit dem Boot den Hudson hoch, radelte durch die Bronx oder probierte innerhalb einer Woche alle Pizzerien in Staten Island aus. Sie führte das New Yorker Bilderbuchleben, von dem zwar alle träumten, das aber kaum jemand wirklich lebte.
    Ein paar Monate zuvor waren Maggie und Gabe auf Rhiannons Wunsch zum Abendessen in das Restaurant gegangen, in dem sie arbeitete. Rhiannon begrüßte sie in einem kurzen, engen Dunkelblauen, und als sie die beiden zum Tisch führte, waren ihre wohlgeformten Oberarme und Beine unübersehbar.
    Nach dem Essen plauderte sie mit ihnen und lachte mit Gabe über ihren Namen, der auf einen gleichnamigen Songtitel anspielte: »Das kommt eben dabei heraus, wenn sich Fans von Fleetwood Mac paaren«, sagte sie. »Vielleicht mache ich bald eine Selbsthilfegruppe mit meiner Freundin Gypsy auf.«
    »Wirklich?«, sagte Gabe verzaubert.
    »Nein, Gabe, nicht wirklich«, antwortete Rhiannon.
    »Oh, jetzt hast du mich erwischt«, sagte er und zwinkerte ihr zu. Das hatte Maggie ein wenig irritiert. Plötzlich schoss ihr die Frage durch den Kopf, wie er sich wohl benahm, wenn sie nicht dabei war.
    Als sie danach zu zweit auf die Straße traten, sagte Gabe: »Die ist ganz schön heiß.«
    »Du bist nicht ihr Typ, Schatz«, sagte Maggie. »Sie steht auf reiche alte Knacker.«
    »Ich meinte ihre Art«, sagte er. »Die hat Feuer. Aber dass es ihr in dem Job nicht langweilig wird … Warum macht sie das eigentlich?«
    Rhiannon hatte Maggie erzählt, dass sie sich mit dem Restaurantjob die Zahnarztkosten verdienen wollte. Bis jetzt war sie ohne Krankenversicherung klargekommen. Maggie würde nicht einen Tag unversichert herumlaufen: Unter Garantie würde nämlich genau an diesem Tag ein Klavier aus einem Fenster im zehnten Stock fallen und auf ihrem Kopf landen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Rhiannon, als sie jetzt Maggies verweintes Gesicht sah.
    »Streit mit Gabe«, sagte Maggie.
    Rhiannon nickte. »Wollen wir einen trinken gehen?«
    »Im Moment will ich nur ins Bett«, sagte Maggie. »Ich hoffe, du findest das jetzt nicht unhöflich?«
    Rhiannon lachte: »Und wie! Echt mal, du bist wirklich die Unhöflichkeit in Person! Aber im Ernst: Ich mach mir Sorgen um dich. Brauchst du jemanden zum Reden?«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Später vielleicht, wenn das okay ist?«
    Rhiannon war die erste Nachbarin, mit der Maggie sich angefreundet hatte. Die zwei waren sich nicht besonders nah, aber sie hatten im Treppenhaus oft lange geplaudert, und an dem Tag, an dem Rhiannons Scheidung rechtskräftig wurde, waren sie in ein neues Restaurant in der Orange Street gegangen und hatten auf die Freiheit getrunken, obwohl Maggie sich nicht sicher war, ob Rhiannon sich wirklich befreit fühlte.
    »Also, wenn du mich brauchst: Du weißt ja, wo ich wohne«, sagte Rhiannon jetzt.
    »Danke, das ist echt nett von dir.«
    Dann ging Maggie in ihre Wohnung, ließ den gepackten Koffer an der Tür stehen und verkroch sich im Bett. Gabes Cordhose hing

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