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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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über einem Stuhl und im Wohnzimmer lag seine Yankees-Baseballmütze auf dem Couchtisch.
    Maggie weinte sich in den Schlaf. Im Traum sah sie ihren Großvater mit Hawaiibadehose und grauen Locken auf der Brust, der alleine den Strand in Maine entlangtanzte und sorglos lachte.
    Beim Aufwachen galt ihr erster Gedanken ihm. In mancherlei Hinsicht war er ihr mehr Vater gewesen als ihr eigener. Er hatte sie mit seinen albernen Witzen zum Lachen gebracht, wenn sich in der Schule jemand über sie lustig gemacht hatte, und war nach jedem Schneesturm aufgetaucht, um ihre Einfahrt freizuschaufeln. Und an den Sommerabenden in Maine hatte er seinen Enkeln mit melodramatischem Tremolo Gutenachtlieder gesungen.
    Er war es gewesen, der Maggies Sachen in den Kofferraum seines Buick geladen hatte und sie die weite Strecke bis zu ihrem College in Ohio gefahren hatte. Diese Fahrt gehörte zu ihren schönsten Erinnerungen an ihn, denn damals hatte sie zum ersten Mal die Möglichkeit gehabt mit ihm zu reden, ohne sich seine Aufmerksamkeit mit ihrem Bruder und den Cousins und Cousinen teilen zu müssen.
    Nach zehn Stunden Autofahrt hatten sie zum Abendessen an einer Bruchbude am Straßenrand gehalten. Dort bestellte ihr Großvater sich ein Guinness und erzählte ihr von seiner ersten Begegnung mit ihrer Großmutter. Als er Alice zum ersten Mal sah, habe ihn ihre Schönheit so überwältigt, dass er beinahe davongerannt sei. Er erzählte nichts als Unsinn. Er sagte auch, dass der Tag, an dem ihre Mutter geboren wurde, der außergewöhnlichste seines Lebens gewesen sei und dass er die schlafende Mutter und ihr Neugeborenes im Krankenhaus verlassen hatte, um sofort zur Morgenandacht in St. Ignatius zu gehen und einen Hundertdollarschein zur Kollekte beizutragen.
    »Deine Großmutter und ich sind so stolz auf dich«, sagte er. »Aus dir wird noch etwas ganz Besonderes, Maggie, da sind wir uns sicher.«
    »Danke.«
    »Du bist die erste in der Familie, die auf eine nichtkatholische Hochschule geht, ist dir das klar?«, sagte er, und sie verdrehte die Augen, weil er schon den ganzen Sommer lang kaum ein anderes Thema gekannt hatte. »Es bricht uns das Herz. Aber es ist schon in Ordnung.«
    »Opa!«
    »Nur bewahre dir den Glauben, ja?«, sagte er. »Wo du jetzt hingehst, hält man davon nicht viel, aber vergiss deine Wurzeln nicht.«
    Dann kam das Essen und er fragte todernst: »Meine gute Maggie, weißt du eigentlich, warum man einem Zwerg kein Geld leihen sollte?«
    Sie seufzte. »Weil man immer nur Kleingeld zurückkriegt.«
    Er nickte zustimmend. »Schau sich einer dieses Mädchen an! Okay, aber was ist mit dem: Paddy erzählt Murphy, dass seine Frau ihn zum Trinken bringt. Dazu Murphy: Sei doch froh, ich muss immer alleine hingehen.«
    Maggie stöhnte, aber ihr Großvater ließ sich nicht davon abhalten, in fragwürdigem Akzent einen irischen Witz nach dem anderen abzulassen, bis sie endlich mit dem Nachtisch fertig waren.
    Als er starb, war Maggie zweiundzwanzig Jahre alt. Doch selbst jetzt, zehn Jahre später, tat seine Abwesenheit weh. Sie erinnerte sich der Zeile eines Gedichts, dass sie zu Collegezeiten auswendig gelernt hatte: Alles, was Flügel hat, die Lerch und deinesgleichen, muss aus dem Leben auf eigne Weise weichen.
    Aber jetzt hatte er sie verlassen und Gabe vermutlich auch. Es war kurz vor zehn und der Himmel vor dem Fenster war schwarz. Maggie sah auf ihr Handy. Keine Anrufe in Abwesenheit.
    Noch zwölf Stunden bis zur geplanten Abreise nach Maine. Sollte sie ohne ihn fahren? Andere würden sich im Bett verkriechen, Pizza bestellen und die Wirklichkeit ignorieren. Sie wünschte, sie könnte das und müsste nicht zwanghaft an ihn denken, bis sie schließlich wie eine Wahnsinnige vor seiner Wohnung auftauchte.
    Vielleicht würden sie sich schon morgen oder in einer Woche wieder vertragen und doch wie ursprünglich geplant weitermachen. Aber Gabe war in solchen Dingen nicht flexibel, er ging nach einem Streit nicht auf sie zu. Außerdem konnte ein Zukunftsszenario nicht mehr eintreten, wenn man es sich einmal vorgestellt hatte. So war das.
    Sie setzte sich im Bett auf und sah sich in der Wohnung um, die sie von hier aus, abgesehen von dem kleinen Bad, komplett überblicken konnte. Würde sie es als Alleinerziehende mit einem kleinen Kind in dieser winzigen Einraumwohnung in Brooklyn schaffen? Sie hatte gedacht, sie sei zur Mutterschaft bereit, aber vielleicht war das total abwegig. Sie fragte sich, wie lange sie es hier aushalten

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