Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
Vom Netzwerk:
er, frisch zum Exfreund gemacht, schon wieder da, wohnte mit Cunningham zusammen und arbeitete Teilzeit für die Daily News . Bei einer ihrer ersten Verabredungen erzählte er ihr stolz von dem Ordner auf seinem Notebook, aus dem er sich bediente, wenn sie ihn für aktuelle Wetterfotos losschickten.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie blöd Fotoredakteure sind«, sagte er. »Die wollen immer wieder das Gleiche: In der Sonne Fußball spielende Kinder und schneebedeckte Taxis. Oder mein Favorit: Regenbogen. Das schreit doch nach Materialrecycling, oder nicht?«
    (Kurz darauf kündigte man ihm wegen genau dieser Praxis. Jetzt lebte er von gelegentlichen Aufträgen und zweiwöchentlichen Schecks seines Vaters. Maggie hätte sich für die Almosen geschämt, aber Gabe schien es nichts auszumachen.)
    Schon damals ganz am Anfang ihrer Beziehung war Maggie das Gefühl nicht losgeworden, dass sie sich so schnell wie möglich von ihm trennen sollte. Der Typ war nicht der Schriftsteller, für den sie ihn gehalten hatte, sondern ein überprivilegierter, fauler Fotograf, der einen Vertrag für ein Buch über Heimpornografie unterschrieben und gebrochen hatte. Aber sie verbat sich jeglichen Pessimismus und konzentrierte sich auf das Positive. Vielleicht hatte er das Projekt nicht zu Ende gemacht, weil er es widerlich fand. Außerdem blieb es ihr so erspart, sein Buch ihren Eltern zu erklären.
    Er zeigte ihr ein paar Tricks und Kniffe im Umgang mit der Wohnung: Wie man die Spülung betätigte, ohne dass der Griff abging, wie man die uralten Glaslampen richtig einschraubte und die unberechenbaren Gerüche vom koreanischen Restaurant unten im Haus durch das Braten einer aufgeschnittenen Orange verjagte. Mr. Fatelli wohnte seit vielen Jahren in dem Haus (Rhiannon war kurz nach Gabes Auszug dazugekommen) und war etwas überrascht, Gabe wieder im Haus zu sehen. Irgendwann schien er dann zu dem Schluss gekommen zu sein, dass die beiden die Wohnung schon immer gemeinsam bewohnt haben mussten. Solche Kleinigkeiten gaben Maggie irgendwie das Gefühl, dass Gabe und sie zusammengehörten.
    Wenn Gabe auch ein Faulpelz war: Dumm war er nicht. In seiner neuen Wohnung stapelten sich die Bücher auf Stühlen und in Zimmerecken und vermischten sich mit Cunninghams grotesk-gigantischer Sammlung von Achtzigerjahre-Videofilmen. Samstagmorgens lagen Maggie und er einander gegenüber lesend auf dem Sofa, rieben die nackten Füße aneinander, und lasen einander gelegentlich eine witzige Stelle vor.
    Gabe war zweimal mitten in der Nacht gekommen, um eine Maus zu fangen und für sie zu beseitigen und hatte alle ihre IKEA-Möbel zusammengebaut. Am Morgen ihres zweiunddreißigsten Geburtstags hatte er sie mit einem selbstgebackenen, von Kerzen gezierten Schokoladenkuchen geweckt, wie ihn Hausfrauen in Filmen machen, die in den Fünfzigern spielen. Manchmal hatte es wirklich den Anschein gehabt, er sei fähig, für sie zu sorgen. Als sie sich kennenlernten war sie dreißig und hatte eigentlich schon seit ihrer Kindheit auf sich selbst aufgepasst. Dennoch musste sie feststellen, dass sie sich danach sehnte, umsorgt zu werden, dass sie es brauchte.
    Im vergangenen Jahr war Gabe über die Osterfeiertage nach Boston mitgekommen. Er hatte mit Maggies Bruder Chris in einer der hinteren Kirchenbänke gesessen und Quatsch gemacht. Sie konnten sich das Lachen kaum verkneifen, denn wenn man nicht lachen darf, wird alles umso komischer. Tante Ann Marie hatte den Jungs einen wütenden Blick zugeworfen, und Maggie hatte zu ihr herübergeguckt und ein Gesicht gezogen, um ihr zu zeigen, dass auch sie das Verhalten missbilligte. Aber in Wirklichkeit hatte sie der Anblick gefreut: Ihr Freund und ihr Bruder Seite an Seite. Sie stellte sich vor, dass sie beste Freunde werden würden, im Sommer in Ogunquit golften und zwischen dem Sommerhäuschen und dem Neubau grillten, während die Kinder herumrannten und Glühwürmchen zwischen den Bäumen umherschwirrten.
    Aber Gabe war unberechenbar. Einmal hatte sie ihn losgeschickt, um ihr Antibiotika aus der Apotheke zu holen. Er hatte zufällig einen Arbeitskollegen getroffen, war mit ihm einen trinken gegangen und hatte ihr schließlich gesagt, sie solle sich die Medizin selbst besorgen – er sei in jedem Fall zu weit weg, um sie ihr noch zu bringen, aber wenn sie darauf bestünde, würde er auch eine Lieferung bezahlen. Sie hatten sich von Anfang regelmäßig bis aufs Blut gestritten. Manchmal log Gabe grundlos. Zum Beispiel

Weitere Kostenlose Bücher