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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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Maries Kindern das Evangelium nach Kathleen. Einmal fing Pattys Baby am Esstisch zu schreien an und sie wollte Foster, wie Ann Marie es ihr beigebracht hatte, zum Stillen ins Schlafzimmer bringen.
    »Still ihn doch hier am Tisch«, sagte Kathleen. »Das ist das Natürlichste von der Welt. Kein Grund sich zu verstecken. Oder willst du auch zu den Frauen gehören, die ihre Kinder im Behindertenklo beim Italiener anlegen?«
    Maggie spuckte fast ihren Wein aus: »Mann Mama! Im Behindertenklo beim Italiener?«
    Ann Marie war entsetzt. Sie sagte mit leiser Stimme: »Patty möchte einfach Rücksicht darauf nehmen, dass manch einem der Anblick einer bloßen Brust unangenehm ist. Deshalb ist es wohl für alle besser, besonders für das Baby, wenn sie sich an einen ungestörten Ort zurückziehen.«
    »So ein Schwachsinn«, sagte Kathleen.
    Wenn es ihre Schwester gewesen wäre und sie nicht die liebe Ann Marie wäre, hätte sie ihre Schwägerin darauf hingewiesen, dass Kathleen ihre beiden Kinder schon im dritten Monat nur noch mit der Flasche ernährt hatte. Aber sie verkniff sich den Kommentar.
    »Das ist wohl kaum ein angemessenes Thema zum Abendessen«, sagte Alice und beendete das Thema damit. Patty ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Es folgte ein langes Schweigen. Ein paar Jahre zuvor hätte Daniel Senior die Stimmung mit einem seiner Witze aufgelockert. Wahrscheinlich dachten in diesem Augenblick alle dasselbe.
    Schließlich sagte Clare: »Gibt mir jemand die Milch?«, und alle lachten. Dann folgten, wie zu Daniels Ehren, ganze drei Stunden des Geschichtenerzählens.
    Angeblich konnten die Kellehers einander nicht ausstehen, aber manchmal verbrachten sie ganze Nächte lachend und plaudernd miteinander. Besonders, als Daniel noch da war, aber auch jetzt geschah es noch von Zeit zu Zeit.
    Auch nach dreißig Ehejahren nahm Ann Marie an jedem Familienfest teil und hörte sich immer wieder die gleichen Geschichten an. Nie hatte sie eine Familie erlebt, die wie die Kellehers von ihren Familienlegenden lebte.
    Am meisten regte es sie auf, wenn Alice auf Sherry Burke zu sprechen kam. Sie legte dann ihre Hand auf die Ann Maries und erklärte stolz, als wüsste Ann Marie das nicht schon längst: »Das war einmal Patricks Freundin. Die Tochter des damaligen Bürgermeisters von Cambridge. Ein bezauberndes Mädchen. Sie ist jetzt Senatorin!«
    »In einem Bundesstaat, nicht im Kongress«, stellte Ann Marie dann richtig.
    Außerdem war das eine Ewigkeit her, Pat war ja noch auf der High School gewesen.
    Wenn sie an jenen Abenden dabeisaß, während eine Flasche nach der anderen geleert wurde (am nächsten Tag würde natürlich sie Gläser und Geschirr einsammeln, in die Maschine räumen und das Esszimmer in Ordnung bringen), wollte Ann Marie sie manchmal alle nur anschreien: »Wenn ihr diese verdammte Geschichte noch ein einziges Mal erzählt, fessle ich jeden einzelnen von euch und stopfe ihm sein großes Maul.«
    Diese Wut schloss auch die Kinder ein: Ihre Nichten und Neffen und selbst ihre drei waren auf ihre Weise echte Kellehers. Nachdem sie sich so einer Wunschvorstellung hingegeben hatte, überkamen sie dann Schuldgefühle, und sie machte irgendetwas Albernes. Zum Beispiel ging sie in die Küche und zauberte schnell noch ein Blech Brownies, die sie ofenwarm mit Vanilleeis servierte.
    Auf der Fahrt zur Puppenhausmesse rief sie Patty an, aber sie erreichte sie weder unter der Festnetz-, noch unter der Handynummer. Also probierte sie es im Büro.
    »Was gibt’s denn, Mama?«, sagte Patty. Sie klang gestresst.
    »Es ist Sonntag. Was machst du im Büro?«, fragte Ann Marie.
    »In Arbeit versinken.«
    »Und die Kinder?«
    »Ich glaube, sie sind in der Kneipe und gucken Baseball.«
    »Wie bitte?«
    »Sie sind mit Josh zuhause.«
    »Ah, okay. Wie geht es ihnen denn?«
    »Du hast sie doch vorgestern erst gesehen«, sagte Patty lachend.
    »Ja, ich weiß«, sagte Ann Marie. »Und morgen kommt Maisy nach der Schule zu unserer kleinen Teegesellschaft, richtig? Du hast dem Lehrer doch gesagt, dass ich sie abhole?«
    »Ja. Du, Mama, ich muss morgen früh diese Unterlagen einreichen und hab noch kaum was geschafft. Kann ich dich später zurückrufen?«
    »Natürlich, Schatz«, sagte Ann Marie.
    Nachdem sie aufgelegt hatte, war Ann Marie ein bisschen traurig, ohne genau zu wissen, warum.
    Als sie hinter zwei Zwanzigjährigen in einem gelben Cabrio in die Sycamore Street bog, fragte Ann Marie sich plötzlich, ob Patty wohl

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