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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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geworden, weil sie Alices Verhältnis zum Alkohol als Kind verinnerlicht habe.
    Darüber konnte Alice nur lachen. Ab Kathleens elftem Lebensjahr hatte Alice bis zu Daniels Tod dreiunddreißig Jahre später keinen Schluck getrunken. Selbst dann nicht, wenn sie vor Verlangen nach einem Tropfen fast umkam und kurz vor dem Entschluss stand, für einen lausigen Schluck Whiskey die Trennung von Daniel und den Kindern in Kauf zu nehmen. Außerdem hatten sie es vermutlich Canadian Club zu verdanken, dass Alice im ersten Jahrzehnt der Mutterschaft nicht die gesamte Familie erdrosselt hatte.
    Die Kinder waren noch klein, als Daniel sich nach einer Reise mit der Kirchengemeinde ins irische County Kerry mit großer Begeisterung mit seiner Herkunft auseinandersetzte und sich auf die Suche nach seinen Wurzeln begab. Weder seine noch Alices Eltern hatten sich mit Irland verbunden gefühlt: Alices Mutter hatte einmal gesagt, dass ihre Mutter bei dem Versuch, Irland endlich hinter sich zu lassen, gestorben war, und sie nicht einsehe, weshalb sie jetzt dahin zurückkehren sollte. Aber irgendwann Mitte der Fünfziger redeten plötzlich immer mehr Paare in ihrer Gemeinde in St. Agnes und andere Eltern an der Schule der Kinder von einer Wiederentdeckung des Mutterlandes. Also organisierte die Gemeinde eine Reise und sie setzten sich alle ins Flugzeug nach Shannon, wo sie beim Bau eines katholischen Waisenhauses halfen und vom Reisebus aus die saftig-grüne Landschaft bewunderten. Sie fotografierten Ruinen und von Schafen versperrte Straßen. Sie aßen Eintopf und sangen alte Volkslieder in schummrigen, verqualmten Pubs.
    Wieder in Boston kaufte Daniel ein Buch irischer Namen mit Bedeutungserklärungen und setzte sich damit an den Esstisch.
    »Also wir sind Kellehers«, sagte er stolz, »und das bedeutet … Augenblick … Moment noch. Ja, ja, ich weiß ja, dass ihr vor Spannung fast platzt.«
    Er schlug die Seite auf, dann sah er mit übertriebenem Erstaunen auf, und Alice sagte: »Himmel, jetzt spuck’s schon aus.«
    »Kelleher«, begann er vorzulesen, »ist die anglisierte Form des gälischen Ó Céileachair, Sohn des Céileachair, ursprünglich ein Vorname, dessen Bedeutung sich aus Gesellschaft und Freund zusammensetzt, also der Der Gesellschaft Liebende . Na, klingt das nach eurem Vater oder was?«
    »Mehr!«, rief Clare, denn auch ihr hatten es die Geister der Vergangenheit angetan. »Schau doch unter Mamas Mädchennamen nach«, sagte sie. »Ja, guck mal unter Brennan.«
    Daniel klopfte ihr mit dem Buch auf den Kopf. »Ich bin dir voraus, kleine Dame. Hier ist es schon. Brennan!«, sagte er laut und begann vorzulesen: »Einer der häufigsten irischen Nachnamen. Brennan ist aus drei Vornamen entstanden: Ó Braonáin, von braon , was vermutlich »Kummer« bedeutete; Mac Branáin und Ó Branáin, von bran , was »Rabe« bedeutet.«
    »Also ist Mama ein kummervoller Rabe?«, fragte Clare. »Ein trauriger Vogel?«
    Daniel lächelte. »Genau«, sagte er. »Mama ist mein geliebtes trauriges Vögelchen. Was sagst du dazu, Vöglein?«
    In diesem Augenblick hasste Alice ihn. Sie blickte die vor ihr sitzenden Kinder an, die sie nur mit großen Augen anglotzten und immer mehr verlangten. Mehr Essen aus dem Tiefkühler, mehr Zeit, mehr Zuneigung. Als wäre sie nur für sie da. Sie gab einen Extraschuss Whiskey in ihren Cocktail und nahm einen großen Schluck.
    »Zeit für euer Bad«, sagte sie, was die Kinder mit Stöhnen und Protesten beantworteten. Daniel lachte.
    »Ihr geht jetzt hoch«, sagte sie zu den Kindern. »Ich komme gleich nach.«
    Sie nahm das Glas und trat auf die Veranda hinaus. Dann trank sie den Rest in der Hoffnung, sich dadurch zu beruhigen. Aber an jenem Abend funktionierte es nicht. Alice setzte sich auf die Stufen und biss sich in die geschlossene Hand. Als sie sich wenig später über Clare beugte, um ihr Haar zu waschen, schreckte ihre Tochter zurück und rief: »Mama, du blutest ja.«
    Alice wischte sich die Hand an einem rosafarbenen Handtuch ab, das am Türknauf hing.
    »Sei still und mach die Augen zu.«
    Sie hatte nie viel mit Kindern anfangen können, und ihre Freunde hatten sich geirrt, als sie ihr versicherten, dass jeder die eigenen Kinder vom ersten Moment an liebe. Sie war von etwas angefüllt, das sich wehrte und sich befreien wollte, und sie hatte das Gefühl, es nicht mehr länger bändigen zu können. Sie wollte allen erklären, dass sie durch ein seltsames Missverständnis hier gelandet sei und in diesem

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