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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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jemals auch nur erwähnt. Ihre Großeltern, Tante Ann Marie und Onkel Pat waren vermutlich kompromisslose Abtreibungsgegner. Was ihre Mutter davon hielt, wusste sie nicht so genau: Für eine Kelleher war Kathleen progressiv, aber zu Maggies Erstaunen hielt auch sie an einigen alten Überzeugungen fest.
    »Ich glaube, dass du das Richtige tust«, sagte Maggie.
    »Vielleicht sollte ich noch warten und mir für die Entscheidung mehr Zeit nehmen?«, sagte Monica. Doch dann fuhr sie fort: »Ach, Quatsch. So schlimm wird es nicht sein, oder?«
    »Bestimmt nicht«, sagte Maggie. »Außerdem bist du nicht allein. Keine Angst.«
    »Wir können ja auch schlecht eine Krippe in unser Zimmer stellen«, sagte Monica.
    »Höchstens, um darin Bier zu lagern«, sagte Maggie, um die Stimmung aufzulockern.
    »Ich bin so froh, dass du da bist«, sagte Monica. »Du bist sehr gut darin, dich um andere zu kümmern, das ist mir schon früher aufgefallen.«
    »Danke«, sagte Maggie.
    Danach wohnten sie noch ein halbes Jahr zusammen, aber Monicas Abtreibung erwähnten sie nur ein einziges Mal. Zu der Zeit fand an der Uni eine einwöchige Demonstration für das Recht auf Abtreibung statt, und beim Wohnheim der Erstsemester hingen hunderte von Kleiderbügeln mit den Geschichten einzelner Betroffener in den Bäumen.
    »Ich kann den Anblick nicht ertragen«, sagte Monica. »Ich weiß, was sie damit sagen wollen, aber es ist so gnadenlos direkt.«
    Im nächsten Jahr zog Monica aus und die beiden verloren sich aus den Augen.
    Vor ein paar Minuten hatte Maggie noch Angst gehabt, überhaupt nicht schlafen zu können. Jetzt lag sie auf dem Sofa, John Travolta sang »Grease Lightning«, und sie fühlte sich, als hätte sie tagelang nicht geschlafen. Also ging sie wieder ins Bett. Hatte das was mit der Schwangerschaft zu tun oder war es das Anzeichen einer Depression? Wahrscheinlich beides.
    Kurz bevor sie einschlief, dachte Maggie noch einmal an Monica: Wenn es anders gelaufen wäre, hätte Monica jetzt ein dreizehnjähriges Kind und würde nicht, wie Maggie in der Alumnizeitschrift gelesen hatte, mit ihrem Freund und vier Cockerspanieln in San Francisco leben und in einer Bluegrass-Band spielen.
    Hatte sie Monica richtig geraten? Damals in Kenyon hatte Maggie die Abtreibung als eine gute Möglichkeit gesehen, um mit der unglücklichen Lage umzugehen.
    Aber jetzt, da sie in einer ähnlichen Lage war, kam ihr die Entscheidung weniger eindeutig vor. Sie war älter als Monica damals. Und sie war kein Mädchen mehr, das gerade erst die Schule abgeschlossen hat und überhaupt keine Möglichkeit hatte, genug für den Unterhalt eines Kindes zu verdienen. Aber ihr Leben war auch nicht so, wie sie es sich für eine werdende Mutter vorstellte: Ein Mann an der Seite, geordnete Verhältnisse und eine Wohnung mit mehr als zwei Zimmern.
    Bist du nicht katholisch? , hatte Monica damals gefragt, und Maggie hatte die Idee abgetan. Aber vielleicht war eine Abtreibung auch deshalb für sie keine Option. Sie praktizierte den Glauben nicht, aber sie spürte den Katholizismus auch als Erwachsene in jeder Zelle. Es war ihr unheimlich wichtig ein guter Mensch zu sein, auch, wenn keiner zusah. Aus Gewohnheit rief sie den Heiligen Antonius an, wenn sie etwas verloren hatte, und wenn sie eine Krankenwagensirene hörte, sprach sie ein Ave Maria. Sie ging zu Aschermittwoch schon lange nicht mehr in die Kirche, aber wenn sie auf der Straße das Aschenkreuz auf der Stirn eines Passanten sah und sie sich plötzlich erinnerte, dass die Fastenzeit begonnen hatte, enthielt sie sich in den nächsten Wochen irgendeiner Sache. Vierzig Tage ohne Zucker, ohne Lästern oder ohne Gabe hinterherzuspionieren.
    Maggie war getauft und hatte die Erstkommunion empfangen. Es hatte Geschenke gegeben, größtenteils religiöser Art, und ein paar Schecks und Zwanzigdollarscheine. Außerdem einen Schokoladenkuchen mit einer gehaltvollen Buttercremeglasur und in der Form eines Kreuzes angeordneten, rosafarbenen Zuckerblumen. Es war einer dieser Abende, an denen die Erwachsenen – ihre Eltern, Tante Clare (damals noch unverheiratet), Onkel Patrick und Tante Ann Marie und die Nachbarn – viel tranken, irische Volkslieder sangen und die Kinder vergaßen, sodass Patty und sie unbemerkt bis nach Mitternacht aufblieben, Kuchen und Schinken in sich hineinstopften und auf der Veranda mit den Barbies spielten.
    Als Kind musste Maggie fast jeden Sonntag in die Kirche gehen. Aber als ihre Mutter nach der Scheidung

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