Sommer in Maine: Roman (German Edition)
sieben Monaten auf den Aufbau eines Kundenstammes zu konzentrieren und mehr Leute zu finden, die Hilfe mit ihrem Datingprofil brauchten. Vielleicht sollte sie im Internet werben, wenn ihr auch bei der Vorstellung einer alleinstehenden, schwangeren Kupplerin, die für anderer Leute peinliche Verabredungen verantwortlich war, schlecht wurde.
»Was meinst du?«, fragte Rhiannon.
»Wenn du sicher bist, dass es dir keine Mühe macht«, sagte sie. »Warum schläfst du nicht drüber und wir entscheiden es morgen. Es macht mir wirklich nichts aus, den Bus zu nehmen.«
»Nicht nötig«, sagte Rhiannon. »Betrachte mich als deinen Chauffeur.«
Kathleen
K athleen bereitete eine Holzkiste vor, indem sie eine Schicht feuchte Blätter hineinlegte und darauf gleichmäßig Erde verteilte und festdrückte.
Sie dachte daran, wozu sie Maggie vor einer Stunde geraten hatte: Nesseltee, Johanniskrautextrakt, und, das Allerwichtigste: Die endgültige Trennung von diesem verwöhnten Affen, und zwar ohne sich, wie es Maggies Charakter entsprach, bereitzuhalten und seine Entscheidung abzuwarten. Nein, den dritten Rat hatte sie sich verkniffen. Maggie mochte es ja nicht, wenn sie ihre Meinung raushängen ließ. Alles zu seiner Zeit, sagte sie sich. Aber es war nicht einfach, zuzusehen, wie das eigene Kind sich wegen eines solchen Idioten fertigmachte. Damit ihr das nicht rausrutschte, hatte sie das Telefonat schnell beenden müssen.
»Hey, Kath, ich glaube, du hast genug auf die Erde eingeschlagen«, sagte Arlo.
Sie war nicht bei der Sache gewesen und hatte die Erde in ihrer Frustration zu fest gedrückt. Jetzt konnte sie nochmal von vorne anfangen, dabei hatte sie noch vierundzwanzig Kisten vor sich.
»Wir brauchen endlich einen verdammten Praktikanten«, sagte sie.
»Reg dich nicht auf. Maggie schafft das schon.«
»Mit Maggie hat das überhaupt nichts zu tun«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass das gelogen war. Dann fügte sie hinzu: »Tut mir leid. Heute ist nicht mein Tag.«
»Du kannst ja nichts dafür, wenn dich deine Familie wahnsinnig macht.«
»Maggie macht mich nicht wahnsinnig«, sagte sie. »Die anderen schon, aber Maggie nicht.«
Sie konnte es nicht fassen, dass Gabe sich von ihrer Tochter am Tag vor ihrem gemeinsamen Urlaub getrennt hatte. Kathleen hatte den Kerl von Anfang an nicht gemocht. Maggie sollte jetzt etwas Nettes mit ihren Freundinnen machen oder sie in Kalifornien besuchen, aber aus irgendeinem Grund wollte sie nach Maine. Es konnte ihr nicht guttun, da oben mit Alice alleine zu sein.
Die Vorstellung machte Kathleen nervös. Ihre Mutter würde Maggie lauter Schwachsinn einreden: Gabe ist toll! Du bist zu fett! Trink mehr Alkohol! Und das war die optimistische Prognose. Im schlimmsten Fall wäre sie grausam und würde Maggie wehtun, die sowieso schon angeschlagen war.
Kathleen wünschte, sie könnte da sein, um zu helfen. Aber nach Maine brachten sie keine zehn Pferde. Sie assoziierte das Anwesen voll und ganz mit Alice, und es erinnerte Kathleen an Dinge, an die sie sich nicht erinnern wollte.
Wenn sie über ihre Kindheit nachdachte, fiel auf, dass Alice schon mit Mitte zwanzig drei Kinder hatte, und das direkt nach dem grauenvollen Tod ihrer Schwester. Kein Wunder, dass sie trank. Ihre Mutter sprach nicht darüber, aber Kathleen erkannte Alices Reaktion auf den Tod ihrer Schwester als das Schuldgefühl der Überlebenden. Aber warum Alice sich damals für Kinder entschieden hatte, würde Kathleen nie verstehen. Zweifellos wäre es für alle Beteiligten besser gewesen, wenn sie gewartet hätte.
Nach dem Tod ihres letzten Bruders Michael vor fünf Jahren war Alice in eine tiefe Depression verfallen. Ihr Mann war tot, ihre Familie und die meisten ihrer Freunde auch. Kathleen hatte ein langes Gespräch mit Alice – es war einer der seltenen Momente echter Nähe zwischen ihnen – und überredete ihre Mutter, mit ihr und Maggie über Neujahr in ein Yoga-Heilzentrum auf den Bahamas zu fliegen.
Kathleen hatte sich eine solche Reise, bei der sie richtig in die Materie eintauchen konnte, schon lange gewünscht. Ein Bekannter bei den Anonymen hatte gesagt, so käme man billig in die Karibik. Kathleen dachte, dass die Reise selbst für sie ein bisschen zu esoterisch sei, aber sie würde in jedem Fall die durch Yoga erlangte innere Ruhe genießen können. Außerdem hatte ihr Bekannter gesagt, dass man auf diesen Reisen wunderbar am Strand liegen und mit der Natur verschmelzen könne. Vormittags fanden die
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