Sommer in Maine: Roman (German Edition)
das sein? Hatte sie nicht schon genug Ärger?
»Woher willst du das wissen?«, fragte Rhiannon. »Ist deine Periode verspätet?«
»Nicht nur das. Ich habe einen Test gemacht.«
»Aber die sind nicht zuverlässig«, wandte Rhiannon hoffnungsvoll ein.
»Und einen Bluttest beim Arzt.«
»Ah, okay. Und was sagt Gabe dazu?« Sie hielt inne und beobachtete Maggie. Dann sagte sie: »Er weiß es noch nicht.«
»Ich wollte den richtigen Moment abwarten. Ich dachte, dass es mir am Strand in Maine leichter fallen würde, und – ach, das ist eine lange Geschichte …« Sie beendete den Satz nicht und legte den Kopf in die Hände.
Dann lachte sie plötzlich: »Ich kann gar nicht glauben, dass ich dir das erzählt habe. Sonst weiß es noch keiner.«
Rhiannon nahm Maggies Hand und sagte: »Ich bin froh, dass du es mir gesagt hat. Wir kriegen das schon hin, keine Sorge.«
Maggie wünschte, es wäre Kathleen, die so neben ihr saß. Aber vielleicht konnte die Familie einem nicht die Hilfe geben, die man brauchte. Vielleicht war das Bild, das die eigene Familie von einem hatte, zu sehr mit ihren Hoffnungen und Ängsten vermischt, als dass sie einen jemals wirklich als die Person sehen konnten, die man war. Vielleicht war ihre Mutter deshalb so weit weggezogen: Um als die wahrgenommen zu werden, die sie war, und auch andere so sehen zu können.
»Ich krieg ständig diesen hektischen Ausschlag«, sagte Maggie.
»Total ätzend. Ich hatte das zur Zeit der Scheidung unentwegt. Dabei fällt mir ein, dass ich auch am Hochzeitstag Ausschlag hatte. Hätte mir eine Warnung sein sollen. Du brauchst eine Claritine. Warte mal, ich hab irgendwo noch welche.«
Rhiannon ging ins Bad und kam mit einer Schachtel in der einen und einem Fläschchen in der anderen Hand wieder.
»Ich hab auch Valium«, sagte sie und schüttelte die Flasche. »Willst du eine?«
»Ich glaube nicht, dass das in meinem Zustand eine gute Idee ist«, sagte Maggie.
»Verdammt, stimmt ja. Du hast recht. Sorry. Ich bin ein bisschen durcheinander. Wenn ich nur etwas für dich tun könnte.«
Maggie lächelte. »Du bist lieb.«
»Vergiss es. Ich hab dir eine Menge zu verdanken.«
»Was meinst du damit?«
»Du hast mich am Tag der Scheidung gerettet, Maggie. Das ist dir wohl gar nicht klar, was? Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du an dem Abend nicht mit mir essen gegangen wärst. Ich habe hier nicht so viele Freunde.«
Rhiannon hatte damals gar nicht verzweifelt gewirkt. Sie hatten gut gegessen, ein Gläschen Wein getrunken und über vergangene Beziehungen gelacht. Maggie konnte kaum glauben, dass sie Rhiannon wirklich geholfen hatte.
»Du willst es also behalten?«, fragte Rhiannon.
Maggies Herz zog sich zusammen. Diese Frage gehörte nicht gerade zu ihrer Vorstellung einer idealen Schwangerschaft. Aber die Antwort war eindeutig: »Ja. Auf jeden Fall.«
Rhiannon nickte. »Ich freu mich für dich. Du, soll ich dir für die Fahrt nach Maine meinen Subaru leihen?«
»Du hast ein Auto?«, fragte Maggie.
»Ich benutze es fast nie«, sagte Rhiannon. »Aber man weiß nie, wann man mal einen Fluchtwagen braucht.«
»Danke für das Angebot«, sagte Maggie, »aber ich hab gar keinen Führerschein. Das macht aber nichts. Ich nehme den Bus. Da kann ich auch schlafen und ein bisschen lesen.«
Rhiannon sah nachdenklich aus. »Wie lang ist denn die Fahrt?«
»Fünf Stunden.«
»Ach, das ist doch gar nichts. Ich fahr dich morgens hin und bin abends wieder zuhause. Ich muss Mittwochabend zum Seminar.«
»Aber das ist doch Wahnsinn.«
»Wieso? Ich war noch nie in Neuengland. Außerdem liebe ich lange Autofahrten. Und ich bin schon seit Wochen nicht mehr rausgekommen. Mir fällt hier langsam die Decke auf den Kopf.«
Maggie hob die Augenbraue.
»Außerdem kannst du wahrscheinlich Gesellschaft gebrauchen«, fügte Rhiannon hinzu. »Und was gibt es an einem freien Tag Schöneres als einen Ausflug ans Meer?«
»Im Ernst?«, fragte Maggie. »Also wenn es dir wirklich nichts ausmacht. Es wäre toll. Jetzt wird mir mal wieder klar, wie blöd es ist, keinen Führerschein zu haben.«
»Ich würd mir darüber keine Gedanken machen. So ist es doch auch viel billiger, als wenn du ein Auto mieten würdest.«
Rhiannon sah sie wahrscheinlich als mittellose junge Mutter, die ihr Geld zusammenhalten musste, um Babykost kaufen zu können. Aber lag sie damit eigentlich so falsch? Beim Gedanken an Geld bekam Maggie plötzlich Angst: Sie nahm sich vor, sich in den nächsten
Weitere Kostenlose Bücher