Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
Aber er schien sich davon nur ein gewisses Maß zuzugestehen und nicht mehr.
Leidenschaft? Sie konnte aus erster Hand bezeugen, dass in ihm ein Pulverfass schlummerte. Was konnte dieses Pulverfass zünden? Wenn sie sich bei Sidney Colby in einer Sache ganz sicher war, dann darin, dass er sich unter strengster Kontrolle hielt. Die Leidenschaft, die Macht, die Wut – wie immer man es bezeichnen wollte – floss in seine Arbeit ein, aber nicht – dessen war sie sicher – in sein Privatleben. Zumindest nicht oft.
Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, als sie behauptete, es gebe niemanden, den sie nicht mochte, außer ihm. Das ging Hand in Hand mit ihrer Kunst – sie blickte in eine Person hinein und fand Qualitäten, nicht alle bewundernswert, nicht alle liebenswert, aber etwas, immer etwas, das sie verstehen konnte. Sie musste das auch mit Sidney machen, um ihrer selbst willen. Und weil sie ihn unbedingt fotografieren wollte. Aber damit würde sie erst viel später herausrücken.
„Sidney, ich möchte Sie etwas anderes fragen.“
Er blickte nicht von der Zeitung auf. „Hmm?“
„Welcher ist Ihr Lieblingsfilm?“
Halb verärgert über die Unterbrechung, halb verwirrt über die Frage, blickte er auf und fragte sich wieder einmal, wie ihr Haar aussehen mochte, wenn es aus diesem dicken, unordentlichen Zopf entlassen wurde. „Was?“
„Ihr Lieblingsfilm“, wiederholte sie. „Ich brauche einen Anhaltspunkt, einen Ansatz.“
„Wofür?“
„Um herauszufinden, warum ich Sie interessant, attraktiv und nicht liebenswert finde.“
„Sie sind eine seltsame Frau, Blanche ,Bryan’.“
„Nein, eigentlich gar nicht, obwohl es mein gutes Rechtwäre.“ Sie unterbrach sich einen Moment, während sie die Spur wechselte. „Kommen Sie schon, Sidney, es ist eine lange Reise. Kommen wir einander doch in Kleinigkeiten entgegen. Nennen Sie mir einen Film.“
„,To Have and Have Not’.“
„Bogarts und Bacalls erster gemeinsamer Film.“ Es brachte sie dazu, ihn auf die Art anzulächeln, die er schon als gefährlich eingestuft hatte. „Gut. Hätten Sie irgendeinen obskuren französischen Film genannt, hätte ich etwas anderes finden müssen. Warum dieser?“
Er legte die Zeitung beiseite. Also wollte sie Spielchen spielen. Harmlos, entschied er. Und sie hatten noch einen langen Tag vor sich. „Anziehungskraft auf der Leinwand, dichte Handlung und eine Kameraarbeit, die Bogart als perfekten Helden erscheinen lässt und Bacall als die einzige Frau, die an ihn heranreicht.“
Sie nickte zufrieden. Er war sich also nicht zu schade, Helden zu genießen, Fantasien und brodelnde Beziehungen. Das mochte nur ein kleiner Punkt sein, aber sie könnte ihn dafür mögen. „Filme faszinieren mich genau wie die Leute, die sie machen. Ich glaube, das war einer der Gründe, warum ich die Gelegenheit ergriffen habe, für CELEBRITY zu arbeiten. Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Schauspieler ich fotografiert habe, aber wenn ich sie auf der Leinwand sehe, bin ich noch immer fasziniert.“
Er wusste, dass es gefährlich war, Fragen zu stellen, nicht wegen der Antworten, sondern wegen der Fragen, die einem im Gegenzug gestellt wurden. Dennoch wollte er etwas erfahren. „Fotografieren Sie deshalb die schönen Leute? Weil Sie dem Glamour nahe kommen wollen?“
Weil sie es für eine faire Frage hielt, beschloss Blanche, sich nicht zu ärgern. Außerdem brachte es sie dazu, über etwas nachzudenken, das sich fast ungeplant entwickelt hatte. „Vielleicht hatte ich anfangs so etwas im Sinn. Man sieht sie jedoch sehr schnell als gewöhnliche Menschen mit außergewöhnlichenBerufen. Ich liebe es, diesen Funken zu finden, der sie zu den wenigen Auserwählten macht.“
„Trotzdem werden Sie in den nächsten drei Monaten das Alltägliche fotografieren. Warum?“
„Weil in jedem von uns ein Funke ist. Ich möchte ihn auch in einem Farmer in Iowa finden.“
Da hatte er also seine Antwort. „Sie sind eine Idealistin, Blanche.“
„Ja.“ Sie warf ihm einen offen interessierten Blick zu. „Sollte ich mich dafür schämen?“
Es gefiel ihm nicht, wie ihn die ruhige, vernünftige Frage berührte. Er selbst hatte auch einmal Ideale gehabt, und er wusste, wie sehr es schmerzte, wenn sie einem brutal weggenommen wurden. „Nicht dafür schämen“, sagte er nach einem Moment. „Sie sollten vorsichtig sein.“
Sie fuhren stundenlang. Im Laufe des Nachmittags tauschten sie die Plätze, und Blanche blätterte in Sidneys Zeitung. Nach
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